„Trotz umfangreicher Anstrengungen ist die Gleichstellung der Geschlechter noch nicht realisiert“, schlussfolgert das Nationale Forschungsprogramm zur „Gleichstellung der Geschlechter“.
Dass nach wie vor für die gleiche Arbeit ein anderer Lohn gezahlt wird, ist nicht zu rechtfertigen – ganz klar. Irgendwie muss auch das Sozialsystem frei von Geschlechter-Diskriminierung gemacht werden. Wenn das Forschungsprogramm jedoch die Vermittlung von Geschlechterstereotypen an Schulen anprangert, stimmt mich das skeptisch.
Das sozialwissenschaftliche Forschungsprogramm hat nirgends das Ziel der Gleichstellung definiert – zumindest habe ich keins gefunden. Im Tagesgespräch auf Radio SRF von gestern beriefen sich die Soziologen René Lévy und Brititte Liebig, die auch die Studienleiterin ist, auf die Bundesverfassung:
Dort steht im Artikel 8 zur Rechtsgleichheit:
„Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.“
Wann aber wäre „tatsächliche Gleichstellung“ wirklich erreicht? Sobald 50 Prozent der Kleinkindererzieher Männer sind und 50 Prozent der Bauarbeiterinnen Frauen? Wenn es 50 Prozent weibliche Physikprofessorinnen und 50 Prozent männliche Psychologiestudenten gibt?
Ich habe schon verstanden: es gibt kein Gen für Kindererziehung und Physikbegeisterung. Doch die Schwangerschaft hinterlässt nun einmal soziale Spuren. Die Beziehung zu einem Kind, das neun Monate im eigenen Bauch verbracht hat, ist einfach anders, als wenn es der Bauch von jemand anderem war. Niemand wird wohl ernsthaft nach Programmen verlangen, um diese sozialen Spuren aus unserer Gesellschaft zu entfernen und die Weiblichkeit und Männlichkeit abzuschaffen. So ähnlich lese ich es aber zwischen den Zeilen des Forschungsprogrammes heraus. Oder hat das jemand anders verstanden?
Nach meiner Prognose werden wir auch in 100 Jahren noch „weibliche“ und „männliche“ Berufe haben. Es wird auch dann noch komisch sein als Frau in einem Männerberuf und umgekehrt zu arbeiten. Es ist doch schön, wenn es auch dann noch Mutige, Abenteuerlustige und Querschläger gibt, die sich trotzdem in die andere Domäne wagen. Ich würde mir eine Schule wünschen, die genau diesen Mut fördert.