Die Tamiflu Saga ist beendet. Roche hat nach langjähriger Heimlichtuerei endlich die vollständigen Daten zu den klinischen Versuchen herausgerückt. Die Wissenschaftler der Cochrane Collaboration haben bestätigt, was sie schon aufgrund der unvollständigen Daten vermuteten: Tamiflu verkürzt die Zeit der Grippesymptome ein wenig. Dass es dewegen weniger Komplikationen und weniger Ansteckungen gibt, konnte bisher aber nicht gezeigt werden. Dafür löste es Übelkeit und Erbrechen aus. Damit bleibt es wohl eine teure Beruhigungspille für die Bevölkerung. Der Tagesanzeiger/Bund berichtete heute über die im British Medical Journal publizierte systematische Übersichtsstudie mit Zusatzartikeln.
Der interessante Teil der Geschichte, über den ich lieber mehr erfahren hätte, kommt erst zum Schluss. Das Bundesamt für Gesundheit bleibt bei seinem Pandemieplan und zieht es vor, „die weltweiten Fachdiskussionen abzuwarten“ anstatt mitzudiskutieren. Die Zulassungsbehörde Swissmedic „sieht keinen Handlungsbedarf“, obwohl ihnen die Cochrane Collaboration eigentlich ein Fehlurteil vorwirft: Nebenwirkungen ohne Nutzen. Roche hält die Wissenschaftler der Cochrane Collaboration offenbar für zu inkompetent, um ihre Daten überprüfen zu können. So berichtet der Tagesanzeiger/Bund.
Fehler möglich
Es ist durchaus möglich, dass die Cochrane Wissenschaftler einen Fehler gemacht haben. Einen Anfang der Diskussion dazu kann man bei der BBC sehen, wo viele Fachpersonen zu Wort kommen. Nur scheint es, will weder das BAG, Swissmedic noch Roche wirklich darauf eingehen. Wie kann das sein? Wenn die Cochrane Wissenschaftler einen Fehler gemacht haben, muss man das doch begründen können.
Die Stärke der Wissenschaft ist doch genau das Überprüfen durch Unabhängige. Dabei wird Diskutiert, wodurch Fehler gefunden werden. Erst die Interpretationen, die diese Diskussion überstehen, kann man als gesichert betrachten. Dafür muss man natürlich auch Fehler eingestehen können, was bekanntermassen keine Stärke der Menschheit ist. Fehler werden zu oft tabuisiert.
Solange man sich dieser Diskussion verweigert, findet keine Wissenschaft statt. Natürlich darf man niemanden dazu zwingen, wissenschaftlich vorzugehen. Wer das aber nicht tut, darf aber nicht die Evidenz-basierte Medizin für sich beanspruchen. Das Vorgehen von BAG, Swissmedic und Roche in diesem Fall basiert auf Autorität.
„Did an asteroid kill the dinosaurs?“
Richard Dawkins hat in einem Vortrag über seinen Evolution und Atheismus eine schöne Autoritätssteigerung hingelegt. Tamiflu und Wirksamkeit kann darin jeder selbst ersetzen:
I’m going to put together, as guest editor, a special issue on the question, „Did an asteroid kill the dinosaurs?“ The first paper is a standard scientific paper presenting evidence: „Iridium Layer at the K-T Boundary, Potassium-Argon Dated Crater in Yucatan, Indicate That an Asteroid Killed the Dinosaurs.“ The next one, „The President of The Royal Society Has Been Vouchsafed a Strong Inner Conviction That an Asteroid Killed the Dinosaurs.“ „It Has Been Privately Revealed to Professor Huxtane That an Asteroid Killed the Dinosaurs.“ „Professor Hordley Was Brought Up to Have Total and Unquestioning Faith That an Asteroid Killed the Dinosaurs.“ „Professor Hawkins Has Promulgated an Official Dogma Binding on All Loyal Hawkinsians That an Asteroid Killed the Dinosaurs.“
Erik von Elm von Cochrane Schweiz hat mich noch auf die deutschen Übersetzungen aufmerksam gemacht:
– Zusammenfassung
– laienverständliche Zusammenfassung
http://swiss.cochrane.org/de/news/tamiflurelenza-vorteile-%C3%BCbersch%C3%A4tzt-zusammenfassung-des-aktualisierten-cochrane-reviews-auf-deu