Die Vertreter der Wissenschaft in der Schweiz haben sich am 21. Januar 2014 ausdrücklich für einen offenen Bildungs- und Forschungsplatz Schweiz, Personenfreizügigkeit mit der EU inbegriffen, ausgesprochen. Sie hatten offensichtlich keinen Erfolg. Allerdings wurde die Initiative gegen Masseneinwanderung in der Nähe von Universitäten abgelehnt (ausgenommen Lugano). Ob das auf die Präsenz der Universität zurückgeführt werden kann, lass ich mal dahingestellt.
Karte vom Bundesamt für Statistik. Universitäten sind rot eingezeichnet.
Das Abstimmungsresultat und die dadurch drohende Kündigung des Freizügigkeitsabkommen bringen folgende wissenschaftliche Programme in Gefahr:
Forschungsabkommen Horizon 2020 (8. Rahmenprogramm)
Es geht um insgesamt 81 Milliarden Euro zwischen 2014-2020. Die Schweiz war bisher assoziiertes Mitglied, was laut Martin Läubli vom Tagesanzeiger/Bund Teil der Bilateralen Verträge I ist.
Führungsrolle EPF Lausanne beim Flagschiff „Human Brain Project“
Dem Projekt wurden insgesamt 1 Milliarde Euro versprochen, wovon aber ein Teil auch von den verschiedenen nationalen Förderinstitutionen bezahlt werden sollte. Läubli schrieb, dass ein Teil der Finanzierung von Horizon 2020 gewährleistet werden sollte, aus dem die Schweiz nun ausgeschlossen werden könnte. Ich würde es bekanntermassen begrüssen, wenn beim Human Brain Project ein wenig Bescheidenheit einkehrte, aber für den Ruf der EPF Lausanne wäre es auf jeden Fall ein Verlust.
ERC-Förderprogramm
Die Schweiz erhielt in der Vergangenheit pro eingezahlten Franken, eineinhalb Franken an Fördergeldern zurück. Die ERC-Fördergelder sind Teil von Horizon 2020. Dass andere EU-Staaten bisher für Schweizer Forschung bezahlt haben ist dabei viel weniger wichtig, als der internationale Vergleich der Forschungsprojekte. Auch wenn ERC-Grants bisweilen viel Bürokratie mit sich ziehen, gelten sie als richtig investiert und bringen den Forschern und ihren Universitäten viel Renommee.
Euratom-Program
Auch Euratom ist Teil von Horizon 2020. Laut ETH-Rat geht es bei Euratom um Strahlenschutz, Rückbau von Atomkraftwerken und die sichere Entsorgung radioaktiver Abfälle. Ebenfalls geht es um die noch sehr futuristische Kernfusion.
Austauschprogramm Erasmus
Das Erasmus-Programm sorgt für den wichtigen internationalen Austausch unter den Studenten. Dieses ist laut Läubli vom Tagesanzeiger/Bund nun ebenfalls in Gefahr, zumal gerade ausländische Studenten im Visier von SVP-Politkern sind. Ein Umfrage für Studenten von NZZ-Campus.
Swissmedic entscheidet isoliert
Die Grosswetterlage zwischen der Schweiz und der EU war schon vor der Abstimmung eher schlecht, weshalb zum Beispiel der Datenaustausch zwischen der Arzneimittelbehörde Swissmedic und European Medicines Agency (EMA) nur sehr begrenzt möglich war. Der Austausch wird nun sicher nicht einfacher werden, was sich schlussendlich auch auf die Qualität der zugelassenen Medikamente auswirkt.
Wissenschaft die einzige wirklich globalisierte menschliche Tätigkeit, die es schafft, Hürden zu überwinden. Selbst bei der gerade aktuellen olympischen Bewegung nehmen die nationalen Flaggen und Hymnen ziemlich viel Platz ein.
Die Schweiz war an vorderster Front mit dabei, wenn es darum ging ein internationales Netzwerk von Wissenschaftlern aufzubauen. Der Erfolg der ETHs, das Projekt des CERN, verschiedenste Nobelpreisträger haben dazu beigetragen, dass wir beste Wissenschaft in unserer Nähe haben. Wissenschaftliche Publikationen aus der Schweiz werden überdurchschnittlich viel zitiert (was ich hier mal unkritisch als Erfolg stehen lasse).
Ich hoffe schwer, dass es die Schweiz irgendwie schafft, weiterhin eine wichtige Rolle in der Wissenschaft zu spielen. Vielleicht könnten die Medien auch etwas dazu beitragen, indem sie die Forschung vermehrt aus den Spezialgefässen heraus, in den politischen Teil ihrer Berichterstattung nehmen. Aber da träume ich wohl wieder einmal…