Ich möchte das Sciencesofa kurz für Eigenwerbung missbrauchen. Mein Werk zur Gentechnik ist erschienen. Es erzählt die Geschichte des ETH-Pflanzenwissenschaftlers Christof Sautter und seinem Feldversuch mit gentechnisch verändertem Weizen. Ich schreibe auch kurz zu ein paar Sachthemen und drucke Interviews mit Beteiligten rund um Sautters Versuch ab. Ich hoffe, die Lektüre mundet.
Aber der Blog soll nützlich sein. Weil ein Buch Einwegkommunikation ist, möchte ich hier ein Forum für die Leser bieten – quasi eine die Kommentarfunktion zum Buch. Ich bin gespannt.
Lieber Florian,
Super dein Buch, habe es gleich verschlungen, noch bevor es bezahlt ist…
Als ehemaliger ETH-Agronomie-Student beschäftigt mich die Thematik immer mal wieder, und einige der Protagonisten sind mir bekannt. Darum war diese Nacherzählung der Ereignisse um diesen Versuch sehr spannend. Ich hoffe, es möge ein wenig Lohn sein, wen ich folgend einige Gedanken aufliste, die mir nach der Lektüre in den Sinn gekommen sind (Reihenfolge/Nummerierung tut nichts zur Sache):
1) Auch „meine Götter“ finden die Gentechnik nicht eine tolle Sache. Nach wie vor.
2) Christof Sautter habe ich wohl auch völlig zu Unrecht denunziert, als Student. Nicht öffentlich, aber unter Kollegen, oder wenn man von Bekannten nach der Meinung gefragt wurde, etc. Schön zeichnest du mit dem Buch das Bild des Menschen hinter der öffentlichen, damals vermeintlich sturen, eigensinnigen, provokanten, risikoreichen Person, als welche er wohl von Gegnern, Medien, und u.a. mir wahrgenommen wurde. Man ist auch als Student noch jung und macht es sich gerne einfach, auch wenn ich Sautter in einer Seminarvorlesung kennenlernen durfte.
3) Ich verstehe den Wunsch nach Forschungsfreiheit, und das Getue um diesen Versuch war ein unnötiges Riesentheater. Ob man mitgemacht hat oder nicht, man schäme sich für die heimliche Schadenfreude über die langwierige Versuchsverhinderung und Belästigung durch Greenpeace…!
4) Genialer Titel des Buchs!
5) Sautter hat mit der durch den Versuch geknickten Wissenschaftskarriere ein grosses Opfer erbracht. Er ist aber sicher nicht nur einfach das arme Opfer des ganzen Rummels, der doch nur einen harmlosen Versuch zur Weltverbesserung machen wollte. Dass sein Kampf für den Versuch in der Öffentlichkeit als Kampf für die Gentechnik und alles bisher Üble mit ihr verbundene wahrgenommen würde, musste ihm bewusst gewesen sein (das scheint mir zwischen den Zeilen auch hervor zu dringen). Er wollte letztlich eine Lanze für die Gentechnik brechen, sonst hätte er sich nicht auf diesen Kampf sein gelassen. Das Risiko dabei verlieren zu können musste ihm bewusst gewesen sein, bei dem gesellschaftlichen/politischen Umfeld.
6) Gentechnische Methoden sind genial zur Analyse. In der Züchtung können sie eingesetzt werden, um rasch zu erkennen ob gewünschte Eigenschaften weiter gegeben werden. (Ich bin in einem Züchtungsprojekt involiert, bei dem dies angewandt wird, um eine Resistenzeigenschaft in eine alte Sorte zu bringen.) Gentechnische Methoden als kreatives Mittel zum Zusammensetzen von Genkonstrukten finden ich (und meine Götter) aber nach wie vor ungeheuerlich. Experimente damit ja, aber bitte nicht weiter grossflächig in die Praxis bringen.
7) Erst wenn mir jemand erklären kann, was abgesehen von den Bausteinen zusammen setzen und zerstückeln in GVO’s passiert, können meine Götter und ich vielleicht beurteilen, wie gut oder gefährlich die Sache wirklich ist. Aber da liegt momentan der Haken – was meine Götter glauben, anerkennt die Wissenschaft nicht, daher kann sie es nicht beschreiben, sondern nur verneinen. Z.B. dass Zellen Biophotonen abstrahlen… Bleibt das bei GVO’s unverändert? Oder könnte man vielleicht mal alle vorhandenen Lebensprozesse in Zellen bei GVO und nicht-GVO vergleichen und dann zeigen, dass rein nur die beabsichtigten Eigenschaften geändert haben? Oder wie viele Vorgehen in Zellen gibt es wohl noch, von der die Wissenschaft weiss oder ahnt, die sie aber nicht erklären kann? – Falls absolut keine, würde mir das Vertrauen in die aktuelle Wissenschaft massiv gestärkt. Hand auf’s Herz…?!
8) Ich bin mittlerweile, aber schon vor der Buchlektüre, davon überzeugt, dass die Gentechnik zum Verständnis des Lebens beiträgt. Darum sollte unbedingt weiter geforscht werden, und unbedingt vor allem von öffentlichen Stellen, respektive Universitäten. Bei den privaten Firmen ist leider immer dieser alles bestimmende Profit im Vordergrund… Das ist gefährlich!
9) Polemik, Emotionen: Das war starker Tubak, zu beobachten, wie nur schon das Wort Gentechnik in mir Zorn-Gefühle aufwallen liess. Das erklärte mir bei der Lektüre so einiges, warum die ganze Debatte alles andere als vernünftig und in gegeseitigem Respekt verlief/verläuft. Da muss man sich erst mal dagegen zwingen; wozu das Buch sehr gut hilft! Hoffentlich sind wir zukünftig generell besser fähig, die Emotionen zu erkennen und in der Diskussion mal hinten an zustellen.
10) Emotionen aber auf keinen Fall weglassen! Ich denke, sie helfen bei sehr vielen Entscheidungen, nicht zuletzt bei wissenschaftlichen Entdeckungen! Wichtig einfach, sie als solches zu erkennen und einzuordnen.
11) Kein Handeln ohne ein Bekenntnis für oder wider eine Weltanschauung. Leider schafft es auch das Buch nicht, ganz neutral besonnen zu sein. Sondern ergreift schon recht stark die Seite für das Opfer Christof Sautter. (Ok, das darf es, das ist die Absicht.) Aber halt genau so für die Gentechnik. (Ok, aus Sicht der Wissenschaft eine nutzbare Sache; habe ich ja oben auch so erkannt). Und doch leider auch für Gentechnik als Mittel gegen den Welthunger, für die Dramatik des Welthungers in 50 Jahren und last but not least gegen den Biolandbau als eine Lösung gegen den Welthunger.
12) Das ist denn auch meine einzige Kritik am Buch von mir als Agronom: Das Argument „Katastrophale Welternährung in 40 Jahren“ hält einmal mehr hin, um die Gentechnik als Heilsbringer darzustellen. Und dass der Biolandbau pro Fläche rein quantitativ pro Ernte viel weniger Ertrag bringt ist einmal mehr das niederschmetternde Argument gegen diesen Ansatz. Ersteres stammt aus dem Munde von Peter Stamp, den ich sehr mag und in seinen Lebenserfahrungen sehr schätze. Dieses eine Argument „Welternährung in 40 Jahren“ mag ich aber auch von ihm nicht noch einmal hören. (Bei diesem alten Agronomen-Zopf habe ich heutzutage am meisten Mühe meine Emotionen zu zügeln…) Kann denn jemand bitte einmal Alternativ-Szenarien erforschen, die NICHT mit einem gleichbleibenden oder gar höher gehenden Fleischkonsum rechnen? Kann denn jemand bitte einmal auch an der Welt arbeiten, dass dieser Verteilkampf von Nahrungsmitteln gerechter wird? Ich habe als Agronom wirklich keine Lust, für eine Welt in 40 Jahren zu stehen, welche noch mehr ineffiziente Tierkalorien produziert, und welche auf Teufel komm raus ein niemals zu enden drohendes Wachstum der Weltbevölkerung mit noch intensiveren Methoden ernähren soll.
13) Auch Peter erkennt dies, aber seine Haltung scheint, dass wir Agronomen nichts anderes tun können, als einfach noch bessere, effizientere Pflanzen (auch zur Tierernährung) bieten zu können. – Sorry, aber dieser Sachverhalt über mögliche Alternativen zum einzig gezeichneten Schreckenszenario wird im Buch viel zu wenig erläutert. Respektive eine Möglichkeit wird klar abgetan…
14) Stichwort: Biolandbau. Die Rechnung in „Kalorien Ertrag pro Fläche“ passt sehr gut zum Weltbild des Gen-zusammensetztenden Wissenschafters. Weniger Kalorien = keine Lösung für die Zukunft. Es wird eine Metastudie erwähnt, welche über so und so viele Studien zeigt: Biolandbau bringt weniger Ertrag pro Fläche. Und das wird dann so stehen gelassen. Mit Verlaub, das ist wie wenn eine Studie zeigt „Leute die weniger arbeiten, verdienen weniger und können sich entsprechend einen wirtschaftlich schlechteren Lebensstandard leisten“ – das würde ja vielleicht sogar stimmen, aber es impliziert, dass dies auch ein schlechteres, unglücklicheres Leben bedeuten würde. Die QUALITÄT durch die grössere Freizeit, durch mehr Zeit für Freunde, durch Wandeln in der Natur etc. würde ausser acht gelassen; und damit die langfristige Work-Life-Balance. Genau das fehlt auch bei dieser Aussage zur Idee Biolandbau. Es fehlen die vielen positiven Untersuchungen zur Fruchtbarkeit eines biologisch bewirtschafteten Bodens, und damit zum langfristigen Potential für die Ernährung. Die Gentechniker träumen von der Ressourcen-effizienten Pflanze, die mit wenig Input viel Ertrag leistet. Aber woher kommt dieser Ertrag? Eine Maispflanze ist viel effizienter in der Pflanzenmasse-Produktion als all die anderen Hauptkulturen. Aber ein Maisacker braucht entpsrechend ordentlich Input dazu, das Nährstoffniveau muss hoch gehalten werden. Auch der Agronomen-Traum der zukünftigen Superertragssorte wird an den Böden zehren. Die Methode der Bodenbewirtschaftung, des Bodenaufbaus könnte darum in Zukunft noch viel wichtiger werden. Und genau hier praktiziert der Biolandbau eine nachhaltige Lösung.
15) Diese leichte Denunzierung des Biolandbaus (z.B. Erwähnung der Swissaid-Werbekampagne) hinterlässt bei mir letztlich leider ein schales Gefühl nach der Lektüre des Buchs. Ich behaupte, hier hast du dich zu weit vor gewagt; hier würde eine umfassendere, wissenschaftliche Betrachtung gut tun. Oder dann eben den Biolandbau nicht erwähnen oder die Möglichkeiten dessen besser aufzeigen.
16) Das Buch eröffnet letztlich die Debatte neu, wie die Welt zu ernähren ist. Was ein Problem dabei ist, die Welt funktioniert nicht rein wissenschaftlich, vernünftig. Ein Biolandbau, der Gentechnik verwendet, wie soll das denn heute gehen? Das ginge nur mit einem Loslassen von durch Bio-Label geschürten Dogmen. Kann das jemals erreicht werden, wenn die Gentechnik zusammen mit Patentierung von den (bösen) grossen, privaten Firmen beherrscht wird, welche munter auf Monokulturen, auf den Verkauf ihrer Pflanzenschutzmittel und wenige Sorten weltweit setzen, weil es am lukrativsten ist? Da braucht es eben mehr als einen vernünftigen Wissenschafter, der die Gentechnik sinnvoll einzusetzen versucht. Da müsste dringend eine Lanze für die Idee Biolandbau, Permakultur und all die weiteren nachhaltigen Methoden gebrochen werden, nicht nur in den idealistischen Köpfen der Städter, sondern eben auch bei Wissenschaftern, bei Bauern, bei Chemiefirmen. Wie soll denn das gehen, wenn das gar nicht auf Umsatz sondern auf Nachhaltigkeit zielt? Und wie, wenn stets diese unsäglichen Ertragszahlen als alleiniges Erfolgskriterium hin halten?
17) Ich freue mich aber, dass eigentlich alle Protagonisten des Buchs letztlich an einer besseren Zukunft interessiert sind. Wissenschafter von öffentlichen Institutionen und NGOs wie auch der Staat (mindestens einzelne Ämter davon) haben also eigentlich die gleichen Ziele vor Augen. Gleichzeitig gibt es auch andere Akteure im Weltgeschehen, welche diese Prioritäten nicht so sehen, z.b: private Chemie-/Saatgutfirmen, aber auch gewisse Politiker (Lobby-Vertreter) und letztlich Konsumenten mit unnachhaltigem, kurzfristigen Verhalten. (Klarstellung: Ich möchte behaupten, dass jeder Mensch teilweise dieser Konsument ist, auchh alle die oben erwähnten Protagonisten, NGO-Vertreter etc.) – Ob wir es wohl schaffen, dass sich die ersteren verbünden und den zweiten die Schranken und Bedingungen für diese bessere Welt weisen???
18) Das Buch ist ein toller Schritt in diese Richtung – danke Flo! Es wird das Bild beschrieben, dass die Gentech-Gegner vor allem die uneinsichtigen, unvernünftigen sind. Hier haben die Gegner also einiges an Aufholbedarf für einen vernünftigen Dialog. Aber an die Wissenschafter: Bitte, bitte nehmt nicht nur die Ängste und Bedenken der Gegner war, sondern versucht halt (ich bin versucht zu sagen „in Gottes Namen“) auch ein anderes Weltbild als das wissenschaftliche anzunehmen, und zu akzeptieren, dass es Leute gibt, die anders denken; und versucht dabei weniger, diese Leute stets von eurem wissenschaftlichen Weltbild überzeugen zu wollen. Das verhindert genauso den Dialog, wie ein stures Glaubensbekenntnis. Und (wohl einmal mehr), Wissenschafter, seid euch bewusst, dass euer Tun politische und gesellschaftliche Folgen hat, immer. Forschungsfreiheit ist nicht gleich Narrenfreiheit.
Nun bin ich gespannt, wie andere Leute das Buch und vielleicht obige Punkte sehen. Ich werde das Buch gerne weiter empfehlen. Es wäre toll, wenn die öffentliche Debatte damit wieder angekurbelt würde und Gedanken 17) in die Realität umgesetzt wird.
Dank und Gruss
Philipp Holzherr
Besprechung von Patrick Imhasly
NZZ am Sonntag, 24. November 2013
„Riesenstreit um winzigen Versuch“
http://static.nzz.ch/files/5/1/2/BamS_20131124_1.18192512.pdf
Seiten 24+25, unten
Besprechung von Nik Walter
Sonntagszeitung, 24. November 2013
„Die (Gentechnik)-Schlacht von Lindau“
Leider kein Link
„6. April 2004: In Deutschland beginnt der erste Freiland-Versuch mit gentechnisch verändertem Weizen…“
Radio WDR 5 schafft in nur 15 Minuten, wofür ich 200 Seiten brauchte: Der Kampf, die Kulturgeschichte, die moderne Züchtung und ein Feldversuch. Das Ganze mit einer deutschen Perspektive, dafür aber ohne Gegner. Es lohnt sich also schon, die 200 Seiten zu lesen!
http://podcast-ww.wdr.de/medstdp/fsk0/38/383197/383197_3865693.mp3
Besprechung von Sigrid März
Laborjournal, 11/2015
„Irrationale Debatte“
http://www.laborjournal-archiv.de/epaper/LJ_15_11/#80/z