Wissenschaftskritik ist bitter nötig, weiss doch die Öffentlichkeit nur wenig, was wirklich in der akademischen Welt abläuft und welche Folgen effektiv die Forschung für die Gesellschaft hat. Doch Wissenschaftskritik ist auch ungleich schwierig, weil die Fachgebiete immer spezialisierter werden und für Laien kaum mehr verständlich sind. Wer kann da noch Forschungsresultate kompetent beurteilen, kritisieren und einordnen? Es sind vor allem Wissenschaftler aus derselben Disziplin, die über das erforderliche aktuelle und zugleich differenzierte Fachwissen verfügen und ihre Kollegen begutachten können (Frauen sind stets mitgemeint). Dieses sogenannte Peer Review innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft hat bisher in der Regel recht gut funktioniert.
Zum Glück gibt es auch Journalisten, die ein oder mehrere Forschungsgebiete über Jahre und Jahrzehnte hinweg eng begleiten und sich so eine glaubwürdige Kompetenz zur Kritik und Einordnung erarbeitet haben. Solche Chronisten – leider werden es immer weniger! – schlagen eine verlässliche Brücke zwischen Forschung und breitem Publikum, ohne sich bei der einen oder andern Seite anzubiedern und damit ihre Unabhängigkeit zu verlieren.
Zum Leidwesen tauchen aber immer häufiger Journalisten auf, die sich vor den Karren dogmatischer oder parteigebundener Wissenschaftler, Buchautoren, Verleger oder Financiers spannen lassen. Ein für derartige Kampagnen geeignetes Thema ist der Klimawandel, der in einschlägigen Medien oft von Skeptikern kommentiert und «widerlegt» wird – mit gutem Recht, wenn die Proportionen gewahrt werden und der Journalist die Leserschaft nicht mit Verzerrungen und Verleumdungen an der Nase herumführt. Ansonsten gelingt es gut finanzierten, organisierten Gruppen, das Verständnis breiter Bevölkerungskreise zu torpedieren, was glaubwürdige und relevante Wissenschaft ist.
Der Weltklimarat IPCC ist das einzige internationale Gremium, das den weltweit abgestützten wissenschaftlichen Konsens zur Klimaerwärmung vertritt. Experten aus über 130 Ländern tragen zu den IPCC-Berichten bei, darunter rund 1‘200 Autoren und mehr als 2‘500 Fachgutachter (Peer Reviewers). Dass sich in Wissenschaft und Gesellschaft ebenfalls Leute tummeln, die mit den Erkenntnissen, Vorgängen und Personen in der Klimaforschung nicht im Einklang stehen, liegt in der widersprüchlichen menschlichen Natur und ist auch gut so.
Wenn hingegen Michael Breu, seit einigen Monaten Wissenschaftsjournalist bei der Basler Zeitung, dem neuen Buch der kanadischen Journalistin Donna Laframboise einen derart prominenten Artikel widmet (auf Seite 3), ohne den darin kritisierten IPCC-Experten eine Chance zur Gegendarstellung zu geben, bleibt ein schaler Nachgeschmack zurück. Laframboise klagt einzelne IPCC-Autoren punktuell an, dies oder jenes wissenschaftlich unterlassen oder verbrochen zu haben, und spickt ihr Werk namens «The Delinquent Teenager. Who was mistaken for the world’s top climate expert.» mit Anschuldigungen, die sie dann generell auf das IPCC überträgt. Die Selbstdarstellerin (ihr Google Profile ist bezeichnend) arbeitet als Kolumnistin und Fotografin und hat keinen Schimmer von Klimaforschung, doch Breu breitet diesen Brei von zusammenhangslosen Verdächtigungen und Unterstellungen unkritisch unter dem Titel «Die unbequeme Wahrheit» aus (BaZ vom 30.11.2011, PDF BaZ-Artikel). Die Beschuldigungen sind bereits seit langem bekannt und die weitaus meisten davon wurden unterdessen entkräftet.
Es ist nicht der erste BaZ-Artikel des ehemaligen Präsidenten des Schweizer Klubs für Wissenschaftsjournalismus, der holzschnittartigen Klimakritikern so viel uneingeschränkten Raum gibt. Man bekommt fast den Eindruck, Breu müsse seine Schreibe auf Teufel komm raus gegen den Strich der geläufigen (wissenschaftlichen) Meinung bürsten – als schreibender Vasall im Dienste des hinter den Kulissen agierenden BaZ-Geldgebers, der bekanntlich Christoph Blocher heisst. Dabei müsste der Ostschweizer den Wissenschaftsbetrieb grundsätzlich kennen, arbeitete er doch einige Zeit in der Hochschulkommunikation der ETH Zürich.
So verlässlich wie das Amen in der Kirche hat nun die Weltwoche nachgedoppelt und Laframboise ebenso als neue Heldin der Klimagegner gefeiert (WW vom 8.12.2011, PDF WW-Artikel). Alex Reichmuth, Breu’s Pendant bei der SVP-nahen Postille, versucht dabei, zwei exponierte Schweizer Klimaforscher in die Pfanne zu hauen, das schafft vermeintlich Auflage. Doch die Attacke auf Thomas Stocker und Andreas Fischlin verfängt sich in unerheblichen, aus dem Zusammenhang gerissenen Bemängelungen, die Wissenschaftler weisen die Vorwürfe zurück. Reichmuth und Breu liegen mit ihren thesenfixierten Artikeln, die lästige Fakten ausblenden, voll im Trend der zunehmenden Wissenschaftsfeindlichkeit, die von den USA ausgeht und sich Europa nähert. Weil dieser Mixtur aus Bericht und Meinung jedoch ein zünftiges Peer Review fehlt, verkommen die Autoren zu eigentlichen Totengräbern einer redlichen, durchaus kritikwürdigen Wissenschaft und spedieren uns im Geist zurück ins Mittelalter.
Sobald im Artikel der folgende Satz auftaucht, weiss man auch schon, worauf der Autor abzielt:
„Im November 2009 wird der Mailserver der britischen University of East Anglia gehackt. In den Mails […] ist die Rede von Datenmanipulation und Absprachen zur Bedrängung von IPCC-Kritikern.“
Ich verstehe bis heute nicht, wie man aus den publizierten Textfragmenten auf „Datenmanipulation“ schliessen konnte. (Dazu der englische Wikipedia-Eintrag:
http://en.wikipedia.org/wiki/Climatic_Research_Unit_documents
und ein Editorial in Nature:
http://www.nature.com/nature/journal/v462/n7273/full/462545a.html)
Es wäre interessant von Michael Breu selbst zu hören, wie er zu dieser Aussage und zu der Kritik im Beitrag von Beat Gerber steht.
Andreas Fischlin ist Biologe hat aber nicht für seine wissenschaftilche Leistungen den Nobelpreis für Biologie erhalten. Sondern bloss den ausgesprochen politischen Friedensnobelpreis. Den gleichen Preis haben schon antisemitische Luftpiraten und Diskotheken-in-die-Luft-Sprenger erhalten.
„Weil dieser Mixtur aus Bericht und Meinung jedoch ein zünftiges Peer Review fehlt, verkommen die Autoren zu eigentlichen Totengräbern einer redlichen, durchaus kritikwürdigen Wissenschaft und spedieren uns im Geist zurück ins Mittelalter.“
Sieht nach einer treffenden Selbstdarstellung Beat Gerbers und seiner Kollegen aus:
Mit „zünftiger Begutachtung“ (Peer Review) meint Gerber wohl Zensur, wenn nicht gar Inquisition, nachdem Wissenschaft wieder religiös/ideologisch, gar dogmatisch und autoritätshörig geworden ist.
Wichtiger als Gerber ist aber der ETH-Präsident:
„Er steuert den Internationalisierungsprozess“ Aus:
http://www.sl.ethz.ch/about/organisation/president
Gute Wissenschaft braucht nicht Internationalisierung, sondern Vielfalt statt Einfalt, wie sie sich heute nicht nur in der Klimaforschung, sondern z.B. auch in der Kosmologie mit den auch von der ETH geförderten Mode-Narreteien von Dunkler Materie bis zu dunkler Energie zeigt: Schon ein altes Sprichwort sagt, dass sieben Weise einen Wasserkopf ergeben.
Und Sie Herr Gerber, lassen Sie mir Ralph freundlich grüssen und fragen Sie ihn bitte, wie er sich bei dieser anglorassistisch motivierten Kultur- und auch Wissenschaftsvernichtungsaktion denn so fühle …
Ein interessanter Blogbeitrag zu Donna Laframboises Buch:
http://nittygrittyscience.com/2011/11/03/an-open-letter-to-donna-laframboise-or-you-have-got-to-be-f-kidding-me/
Gleichgeschaltete Medien sind Totengräber redlicher Wissenschaft (Bsp. NZZ):
Um zu sehen, dass der UNO-Weltklimarat IPCC nicht seriös arbeitet, braucht man weder Briefe zu stehlen, noch z.B. Donna Laframboises Buch zu lesen, wie das offenbar völlig unnötigerweise im Augenblick Mode bei manchen Wissenschaftsjournalisten zu sein scheint; wie Recht hat doch der frühere PSI-Direktor und Gründer Prof. Blaser mit seiner Kritik, dass heute einfach alle einander nachplappern und auch vor schamlosen Lügen nicht zurückschrecken! Ich verweise hier auf seinen bedenkenswerten Vortrag vor der Physikalischen Gesellschaft Zürich vom 29. September 2011:
http://pgz.ch/events/ws1112/event.20110929-2/Blaser_KlimaEnergie_PGZ_20110929.pdf
Zu seinem Engagement sich mit wohl schon bald 90 Jahren gegen den allgemeinen Trend zu stellen, wo er ihn als falsch und/oder fragwürdig erkennt oder ansieht, kann man ihm nur gratulieren, genau wie man Köppel, Tettamanti und Blocher äusserordentlich dankbar sein muss, dass sie wenigstens versuchen eine oder zwei Zeitungen in der Schweiz vor der totalen politischen Gleichschaltung der ganzen schweizerischen Medienlandschaft zu bewahren.
Die Gleichschaltung im Wissenschaftsbereich scheint besonders weit zu gehen: Obwohl wissenschaftliche Themen meist eher wenig bis keine Leserkommentare auslösen, werden sie dennoch in politisch heiklen Punkten (Klima oder z.B. Kritik am SNF) von der einzigen Schweizerzeitung mit ernst zu nehmendem Wissenschaftsteil rigoros zensuriert. Ein besonders krasses Beispiel war mein Kommentar „Nicht kleine, sondern ein Kapitalfehler“ zum NZZ-Artikel „Kleine Fehler, grosse Wirkung“, mit dem die NZZ den UNO-Weltklimarat IPCC verteidigte. Weil die NZZ meinen Kommentar nicht veröffentlichte, veröffentlichte ich ihn am nächsten Tag mit einer kurzen Einleitung in der Weltwoche:
http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2010-09/artikel-2010-09-essay-verzerrte-bilder.html
Weil ich den Kommentar in der Weltwoche in drei Teile aufteilen musste, kopiere ich ihn der besseren Lesbarkeit wegen gesamthaft hierher:
Das Grundproblem ist die Gobalisierung der Wissenschaft, was zu einer noch vor wenigen Jahren fast unvorstellbaren weltweiten Vetternwirtschaft unter den wissenschaftlichen Eliten bis zu deren Hilfslaboranten hinunter geführt hat. Deren Zensur ist heute wirksamer als die der Päpste mittels der Inquisition; betätigt sich z.B. Fischlin als moderner Inquisitor? Gefährlicher aber sind die gleichgeschalteten Medien wie z.B. die NZZ mit „Kleine Fehler, grosse Wirkung“
http://www.nzz.ch/nachrichten/wissenschaft/kleine_fehler_grosse_wirkung_1.5127225.html
Grundsatzkritik wird nicht akzeptiert, wie mein zensurierter Kommentar zeigt:
Nicht kleine, sondern ein Kapitalfehler
Schon vor etwa 2 Jahren hatte ich die wichtige Tabelle auf Seite 4 aus dem IPCC-Bericht
http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/klima/greenpeace_IPCC-bericht_dt.pdf
angesehen und gefolgert, dass dieser Bericht völlig unbrauchbar ist, da er über die Wasserkreisläufe in Meer und Atmosphäre in Form von Wasser, Schnee, Eis, Nebel/Wolken/Dunst/Luftfeuchtigkeit nichts aussagt, ausser – wohl mehr aus Vorsicht als Einsicht – auf Seite 88:
„Zur Zeit verbleibt die Wolkenrückkopplung die grösste Unsicherheitsquelle bei Schätzungen der Klimasensitivität.“
Ansonsten fehlt aber der Wasserkreislauf, der schon für jeden Laien deutlich sichtbar am meisten Einfluss auf das Klima hat. Darum galt und gilt:
So ziemlich jede Klimarechnung, die den gesamten Wasserkreislauf – es geht nicht nur um den Wasserdampf! – nicht beherrscht und trotzdem „sichere“ Aussagen/Prognosen macht, ist fast reine Hochstapelei und/oder Betrug.
Klarheitshalber füge ich heute noch hinzu:
Ich werfe den Leuten nicht vor, dass sie den Wasserkreislauf nicht seriös in ihre Modelle einbauen (können), denn das dürfte die Möglichkeiten der Simulationsrechnungen noch auf lange Frist deutlich übersteigen; ich werfe ihnen „nur“ vor, dass sie dies verschweigen und/oder klein reden.