„Patient Driven Research and Medicine“, so der Titel des Workshops von letzter Woche, der vom Klub der Wissenschaftsjournalisten und Interpharma organisiert wurde.
Am Gesundheitssystem wird gerade gerüttelt. Nicht nur wegen der steigenden Kosten, sondern vor allem, weil das Internet gerade das Informationsmonopol der Ärzte zerschlägt. Der moderne Patient ist Experte seiner eigenen Krankheit.
Nach x Jahren Studium und y Praktika ist es für die Ärzte wohl etwas schwierig zu akzeptieren, dass ein Patient durch Health Social Networks, Direct to Consumer Genetic Testing, Personal Health Records, Self Tracking und Crowd Sourced Clinical Trials zum Citizen Scientist wird.
Auch wenn diese Angebote sicher nicht mit der Durch-Google-zum-Hypochonder Methode vergleichbar sind, bestehen einige Bedenken: Wie steht es mit dem Gruppendruck in sozialen Medien, um bei klinischen Studien mitzumachen? Wissen die Teilnehmer, wer alles in ihre Gesundheitsdaten Einblick hat? Wem gehören ihre Daten? Dürfen sie publiziert oder verkauft werden? Wie kann die Qualität der der Erkenntnisse aus chaotisch aufgebauten Studien beurteilt, geschweige denn, sichergestellt werden? Können die Patienten mit dem Wissen über erhöhte Risiken umgehen?
Ob es sinnvoll ist, seine Gene auf Kranheitsrisiken testen zu lassen, dazu herrschte Uneinigkeit unter den Experten. Es scheint jedenfalls nicht zu schaden, über seine Risiken Bescheid zu wissen (wir können ja auch mit unserer Familiengeschichte umgehen). In der Regel sind wir aber zu träge, unser Verhalten dem Risiko entsprechend anzupassen. Ein gesunder Lebenswandel sollte ja auch nicht vom Genprofil abhängen. Kurz: die Sequenzierung ist schlicht ein teures Spiel. Sollte eine Genvariante für eine Behandlung relevant sein, ist es dann jedenfalls nicht zu spät.
Interessanter und potentiell nützlicher waren die beiden präsentierten Plattformen zur Vernetzung von Patienten: PatientsLikeMe und ACOR. Dort können sie ihre Schicksale teilen, sich über anlaufende klinische Studien informieren und die neusten Erkenntnisse austauschen. Sogar eigene Studien wurden angerissen. Die Teilnehmer von PatientsLikeMe überprüften eine in PNAS publizierte Studie, die fand, dass Lithium Karbonat das Fortschreiten der Amyotrophen Lateralsklerose verlangsame. Die Selbstversuche der Teilnehmer von PatientsLikeMe konnten diese Entdeckung aber nicht bestätigen.
Während PatientsLikeMe, ähnlich wie Facebook, viele nützliche Applikationen zur Verfügung stellt, ist ACOR eine simple Mailing List. Die Krebspatienten schicken jeweils eine Email an ihre gesamte Gruppe. Laut dem Vertreter, Gilles Frydman, sei das wissenschaftliche Niveau der Teilnehmer sehr hoch und Quacksalberei habe keine Chance. Das informierte Netzwerk habe sogar schon Fehldiagnosen verhindert.
Die Patientennetzwerke scheinen mir auf jeden Fall nützlicher als die Sequenzierung des eigenen Genoms. Eine Art Aufklärungskampagne, von der auch das Gesundheitssystem profitieren kann, wenn es sich dafür öffnet. Auch wenn es albern wäre, zu meinen, es brauche keine Ärzte und Wissenschaftler mehr, so müssen die beiden Berufsgattungen in jedem Fall kräftig an ihrem Selbstbild arbeiten.
Mehr über die Referenten am Workshop:
- Melanie Swan, Gründerin von DIYgenomics
- Paul Wicks, Wissenschaftsleiter von PatientsLikeMe
- Gilles Frydman, Gründer von ACOR
- Muriel Bochud, Professorin für Sozial- und Präventivmedizin am Universitätsspital Lausanne (CHUV)
- Effy Vayena, Bioethikerin an der Universität Zürich
- Geoffrey Henning, früherer Lobbyist für Roche, gründet heute eine Non-Profit Organisation
- Michael Heberer, Arzt in Chirurgischer Onkologie und im Spitalmanagement für Medizinische Prozesse und Qualität des Universitätsspital Basel
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