Den Kommentar, diese kleine Reihe sei ein wenig naiv, habe ich im Sommer im Anstieg zum Stilfserjoch (zwischen Kehre 19 und 18) verdaut und schliesse nun mit einem Blick zu den Polen. Denn dort dürften nochmals prononcierte Aussagen zu Wissenschaft und Forschung, deren Stellenwert sowie zu Wahlversprechen zu finden sein.
Von SVP-Seite her wäre ja zu erwarten, dass es um die Schweizer Wissenschaft geht – oder die Wissenschaft für die Schweiz, oder die Forschung für Schweizer, oder etwas in der Art (das Parteiprogramm der SVP ist übrigens ungefähr so bebildert wie der Kalender der Appenzeller-Bahn, der vor 40 Jahren im Abort meiner Grossmutter hing). Klar, setzt sich die SVP dafür ein, dass die Forschungsgelder primär im eigenen Land verwendet werden. Und es dürfe natürlich nicht sein, dass die Schweizer Steuerzahler die Ausbildung Tausender ausländischer Studierender finanzieren, die nach dem Studium das Land verlassen (wenn das deutsche, amerikanische oder indische Steuerzahler tun, dürfte das dann aber schon in Ordnung gehen, oder?). Für gewisse fremde Fötzel aber setzt sich die SVP bemerkenswerterweise prominent ein: Die Antirassismus-Strafnorm gehöre abgeschafft, weil sie den Erkenntnisgewinn verunmögliche: «Die wissenschaftliche Forschung wird beeinträchtigt, indem etwa ausländische Gastreferenten mit ihrer Sicht der Geschichte strafrechtlich verfolgt werden.»
Aber es gibt einen Bereich, in dem die SVP der Forschung und Wissenschaft eine hohe Bedeutung zuspricht: Im Umweltschutz seien es vor allem der technisch-wissenschaftliche Erfolg, der umweltgerechte Lösungen ermöglichten (oder vielmehr der technisch-wissenschaftliche Misserfolg wie im Fall der Kernenergie?). Und die SVP hat begriffen, was Forschende treibt: «Wunschträume können und sollen die Wissenschaft beflügeln.»
Bei der SP stehen die Grenzen weniger im Sinne von «uns» und «die anderen» im Vordergrund. Grenzenlose Bewunderung liest sich in diesem Satz des Parteiprogramms der SP: «Die stärksten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungsimpulse gehen seit längerem von den Wissenschaften und der Umsetzung ihrer Forschungsergebnisse in neue Technologien aus.» Seit längerem? (Seit dem Faustkeil, dem Rad, der Atombombe, seit Twitter?) Die stärksten Impulse? Kein Wunder, muss die Wissenschaft gezähmt werden, wenn sie Wirtschaft und Gesellschaft dominiert, muss ihre Ethik-Verträglichkeit, ihre Umweltverträglichkeit und Sozialverträglichkeit überprüft werden. Denn nur so könne verhindert werden, dass die Spitzenforschung und ihre wirtschaftliche Verwertung die Gräben zwischen Industrieländern und der Dritten Welt vertiefen und dass die Menschen von der äusserst dynamischen Entwicklung im Bereich Wissenschaft/Technologie überrollt würden. Das Parteiprogramm der SP ist übrigens so illustriert wie die Korrekturfahnen eines französischen Soziologiereaders, gar nicht.
Unnötig zu erwähnen, dass die SP im Gegensatz zur SVP nicht den grenzüberschreitenden Austausch von rassistischen und diskrimierenden Pseudo-Erkenntnissen fördern will, sondern die nationale Grenze insgesamt und speziell auch für wissenschaftliche Kooperationen als zunehmend ungeeignete Beschränkung empfindet.
Gesamtbeurteilung: Es wird auch nach diesen Wahlen alles beim Alten bleiben. Alle wollen immer das Gleiche, auch von Wissenschaft und Forschung. Ich vermutete es, weiss es nun. Nur hoffen kann ich, dass Erstellung und Redaktion dieser Parteidokumente nicht mit so viel Leiden, wie dem Lesenden auferlegt wurde, verbunden waren. Wahrscheinlich ist es nicht.
Zusammenfassend könnte man also sagen, dass es keine Wissenschaftspartei gibt. Alle möchten die Wissenschaft zu Ihren Gunsten instumentalisieren und keine steht für wissenschaftliche Freiheit ein. Wer Wissenschaft hauptsächlich als eine Beschäftigung betrachtet, die für die Intelligenz einer Gesellschaft wichtig ist, muss wohl seine eigene Partei gründen.