Machen wir weiter mit dem Blick in die Partei- und Wahlprogramme und den dort enthaltenen Wertungen und Hoffnungen an Wissenschaft und Forschung. Auch wenn Parteiprogramme per se mit grossen gemeinsamen Nennern, und also wenig Profil und Kanten, ausgestattet sind, können sie ein Bild davon abgeben, welches Bild die Parteien von Wissenschaft und Forschung sowie den Leuten dahinter und darin haben. Gerade Letzteres ist bedenkenswert: Wissenschaft und Forschung scheinen für die Parteien anonyme Systeme zu sein, die beliebig gesteuert und eingesetzt werden können. Die Motivation und Herkunft der Menschen, welche Forschung «machen» und prägen, sind offenbar unbedeutende Faktoren im polit-ökonomischen Kalkül.
Dass es früher, ich meine so richtig früher, um die Gründung des Bundesstaates herum, wichtig war, die Politik mit verlässlichen, vielleicht sogar wissenschaftlich haltbaren Erkenntnissen zu untermauern, ist heute vergessen. Einer der Bundesräte der Klasse 1848, Stefano Franscini, hatte noch Temperaturen und Schneemengen auf dem Gotthardpass gemessen und fein säuberlich in seine kleinen Enzyklopädien eingetragen, die dann beim Regieren im Tessin und in Bern auf seinen Schreibtischen lagen. Dass er in seiner kurzen und nicht immer glücklichen Amtszeit aber die amtliche Statistik anstiess sowie das Polytechnikum mitgründen half, erstaunt da nicht mehr. Er war immer davon überzeugt, dass die wissenschaftliche Beschreibung und Erkenntnis das Politisieren überhaupt erst ermögliche.
Heute meinen ja die Parteien, so zumindest die BDP, die Wissenschaft (und die Technologie) sei dafür verantwortlich sei, dass die Grenzen durchlässig geworden sind (das steht so auf Seite vier des Parteiprogramms der BDP). Neben ihrer Bundesrätin will die BDP auch die Forschung stärken, vor allem in den Wirtschaftszentren, und auch mit staatlichen Fördermitteln. Eliten seien zu fördern, denn sie seien für das Volk von grosser Bedeutung. Und wozu das alles? Vermutlich, so richtig klar steht das jedoch nirgendwo, um im globalen Wettbewerb zu bestehen und den Wohlstand zu fördern.
Da sieht es links – oder rechts? – der BDP, also bei, jawohl, der FDP, doch schon etwas anders aus: Die zitiert in ihrem Wahlkampf-Programm 2011 sogar eine wissenschaftliche Studie des Schweizerischen Gewerbeverbandes (der ist doch aber mehr und mehr SVP-dominiert, oder?). Die Liberalen, also die FDPler, sagen dafür, wofür es mehr Mittel brauche: Für die angewandte Forschung (also vermutlich für die Unternehmen) und den Nationalfonds (meinen sie damit die Grundlagenforschung?). Damit sei dann die Innovation vorangetrieben. Ist doch mal ein Anfang. Und mehr Studienplätze in Naturwissenschaften und Medizin seien auch nötig.
Der dritte Weg in die Mitte, die CVP, fackelt nicht lange rum, und gibt Garantien ab: «Wir garantieren einen Spitzenplatz in der Wissenschaft, führende Hochschulen und eine erstklassige Grundschulausbildung.» Ausschneiden auf Seite 14 des Parteiprogramms, einsenden – und Spitzenplatz kassieren. Immerhin sagt diese Partei auch mal, wozu Forschung gut sein solle: Sie könne zur Vollbeschäftigung beitragen. Und versteigt sich dann sogar zu einer Aufzählung von wichtigen Forschungszweigen. Genau: Kulturwissenschaften sind nicht dabei. Aber auch Theologie nicht, nicht mal die katholische. Dafür wird der Forschung auch gesellschaftliche Innovationskraft attestiert. Und angetönt wird sogar, dass Bildung und Forschung etwas mit der Weitergabe von Werten zu tun haben. Auf etwas mehr Seiten als andere Parteien lässt sich eben auch etwas mehr sagen.
Die Mitte wäre in unserer kleinen Auswertung etwa dort platziert, wo sie es sich selber eng macht: In der Mitte.
Prädikat: Die Mitte bringt’s nicht wirklich; man wird wohl noch etwas rechts und links zu schauen haben – in den nächsten Beiträgen.
Du stellst hohe Anforderungen an die Parteien, Dominik. Wer weiss schon, zu was Wissenschaft eigentlich gut ist. Meines Erachtens ist es erstens eine Möglichkeit, die Verkrustung der Gesellschaft zu verhindern und zweitens eine Versicherung, dass uns in Zukunft die Ideen nicht ausgehen. Aber mit solch wagen Thesen würde ich wohl kaum gewählt werden.
Ein Wunsch für deine Serie: Gibt es Wissenschaftler unter den Kandidaten oder solche, die sonst die interessen der Wissenschaftler vertreten könnten?
Nana, Dominik, du wirst doch die Parteien nicht ernsthaft dazu verdonnern wollen, sich in einem Wahljahr tatsächlich einem Nischenthema der Politik verschreiben zu wollen. Vielleicht sollten wir mal die Cura Vista des Parlaments etwas durchforsten und mal schauen, welche Parteien welche Positionen vertreten. Eigene sind ja wahrlich nicht zu erwarten…