Gestern hat der SonntagsBlick eine journalistische Sensibilität bekundet, die nur Kriegsreporter, aber hoffentlich keine Wissenschaftsjournalisten zu vermitteln vermögen. «Die Atom-Bombe von Bern» titelte das auflagenstärkste Sonntagsmedium (240‘000 Ex.) und präsentierte prominent auf den Seiten 2 und 3 unsere vier Bundesrätinnen als Konterfeis auf der Fassade dampfender Kühltürme. Zur Kulisse passend (sic!) wurden unsere Landesmütter zudem als «Reaktoren» bezeichnet. Kernenergie pro oder contra, ein solch metaphorisches Kuddelmuddel macht Kopfweh. Weiter hiess es im Kästchen «So tickt die Atom-Uhr»: Volksabstimmung frühestens 2015, eine hochpräzise Zeitangabe dank stimmiger Metapher! Auch der Obertitel «Politische Kernschmelze dank Frauen-Mehrheit» passt ins Bild, wie sich technologische Kenner die Funktionsweise eines AKW vorstellen und auf die Politik übertragen.
TA-Blindgänger zu Blue Brain
Neben diesen fehlgeleiteten A-Bomben aus dem Hause Ringier produzierte der Tamedia-Konzern aus einem potenziellen Sprengkörper einen forschungspolitischen Blindgänger. Das Blue-Brain-Projekt der ETH Lausanne läuft nämlich PR-mässig auf Hochtouren, hat doch das ambitiöse Vorhaben die Endausscheidung um die EU-Flagship-Programme geschafft und sucht jetzt fürs nötige Fundraising eine breite Akzeptanz. Am letzten Donnerstag wurde nun die vom Stabssekretariat für Bildung und Forschung verlangte Evaluation veröffentlicht, die der Hirnsimulation-Forschung von Starwissenschaftler Henry Markram überaus gute Noten erteilt. Auf der Wissensseite des Tages-Anzeigers erschien am Samstag denn auch postwendend ein flammendes Plädoyer für Blue Brain. Hinter vorgehaltener Hand hat sich jedoch seit langem herumgesprochen, dass das Gutachten bei der Auswahl der Experten vollauf und resolut durch den sogar tobenden EPFL-Präsidenten Patrick Aebischer gesteuert wurde – aufschlussreich hat darüber einen Tag später die NZZ am Sonntag berichtet. Tja, diese ungebundenen Peers …
Bezahltes Blogging auf Sciencesofa
So viel zur unabhängigen öffentlichen Forschung. Man kann mir als Angehöriger der ETH Zürich in dieser Angelegenheit formal zweifellos Befangenheit vorwerfen, beim Sponsoring von Blogbeiträgen im Sciencesofa hingegen bin ich wohl völlig unverdächtig. Unser Blogchef Florian Fisch ist ein kluger Kopf und hat eine originelle Finanzierungsquelle entdeckt. Er lässt sich seine Blogbeiträge über eine Tagung zur Nanomedizin einfach schlichtweg honorieren. Eine wahrlich innovative Art von Social Media: Check Book Blogging. Habe mir zu diesem «Nano-Bömbchen» noch keine Meinung gemacht, jedenfalls …
… dieser Beitrag ist nicht bezahlt.
Beat, du hast bezüglich Checkbookblogging natürlich den wunden Punkt getroffen. Ein bazahlter Beitrag ist nicht unabhängig. Wenn die Abhängigkeit jedoch klar kommuniziert ist, finde ich dieses Vorgehen bei einer wissenschaftlichen Veranstaltung vertretbar. Und klar kommuniziert habe ich, weshalb es dir ja aufgefallen ist.