… sagten sich die Verantwortlichen der Universität Tübingen vor zehn Jahren und riefen die Kinder-Universität ins Leben. Kurz danach wanderte die Idee in die Schweiz ein, und bald darauf waren entsprechende Angebote auch an den Schweizer Universitäten zu finden. St. Gallen hatte für einmal die Nase vorn (dem Ehepaar Jaeger sei Dank), die anderen folgten. Seither haben Schweizer Professoren und Professorinnen insgesamt mehr als 300 Vorlesungen vor staunendem, mit Badges behangenem und in etwas zu grossen Stühlen sitzendem Publikum gehalten. Mehr als die Hälfte der Vorlesungen ging an den Unis in Zürich und Basel über die Bühne, ETH und EPFL hielten sich (vornehm oder voreingenommen?) zurück. Die anderen Schweizer Unis waren mehr oder weniger intensiv engagiert und auch die jüngste Uni, diejenige in Luzern, hat bald nach ihrer Gründung damit angefangen, Vorlesungen für Kinder anzubieten.
Essigsocken, Tierli und Explosionen
Die Liste der präsentierten Themen reicht von Anthropologie über Gender Studies und Meteorologie, Sinologie und Theologie bis zur Wirtschaft. Jede vierte Vorlesung kann im weiteren Sinne der Medizin zugeschlagen werden. Rund 15% der Vorlesungen widmeten sich Fragen, die viele Kinder seit Jurassic Parc noch mehr als sonst umtreiben und Themen aus der Biologie umfassen. Ebensoviele Vorlesungen betrafen chemische und physikalische Phänomene. Die restlichen Vorlesungen verteilten sich auf alle weiteren Disziplinen. Das Schwergewicht liegt also auf Themen, welche der Lebenswelt von Kindern entsprechen und diese interessieren. Eigentlich eine gute Sache, oder?
Deklaration: Der Schreibende hat in den Jahren 2004 und 2005 die Kinder-Uni Basel moderiert. Die Zahlen zu den Schweizer Kinder-Unis zusammengetragen hat Sarah Renold im Rahmen eines Praktikums.
Gibt es irgendwelche Auswertungen, was die Kinder davon zurückbehalten haben? Sind die Unis zufrieden mit dem Programm? Mit anderen Worten, war es ein Erfolg und geht es weiter?
Die Uni Basel hat ihr Kind bald nach Beginn begleiten lassen. Der Bericht dazu findet sich hier:
http://kinderuni.unibas.ch/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&file=fileadmin/kinderuni/redaktion/Texte/kinder_uni_studie.pdf&t=1305800218&hash=6dad3e3b011353237166af8dc205fe0c
Man muss das schon mal miterlebt haben wie (bei uns in Basel) 450 8- bis 12Jährige just in time, nie ohne Grund unpünktlich, fröhlich aus allen Richtungen zusammen strömen, um einem einzelnen Erwachsenen etwa eine halbe Stunde lang zuzuhören. Bewehrt mit Vorlesungsprogramm, Badge mit Ausweis am Bändel, mit Etuis voller Farbstifte, Marker, Gummis und ihren Heften oder Notizbüchern usw. Und das durchwegs in grosser Disziplin – so lange der/die Vortragende interessant bleibt, nicht zu kompliziert wird etc.
Nach dem Vortrag wollen Scharen der Kinder ein Autogramm (obwohl das eigentlich gar nicht vorgesehen ist) und lassen sich ihre Journale oder Vorlesungsscheine signieren. Oft fragen sie den „Professor“ oder die „Professorin“ sogar noch nach einem Fakt, den sie während der Vorlesung nicht aufschreiben konnten…
Neuerdings bildet sich in Basel von alleine eine Queue oder Schlange die ganze Treppe des Vorlesungssaals hoch, in der geduldig gewartet wird, bis man dran ist und alle Vorderen vielleicht noch eine Frage beantwortet bekommen haben. Diese Zukunftsgeneration beim Wissen Tanken mitzuerleben, ist unglaublich aufstellend. (Ich kann rein, weil ich mitorganisieren helfen darf.)
Das junge Publikum ist übrigens durchaus kritisch. Wird die Frage nur ungefähr beantwortet, merkt es das. Auf Fragen wird blitzschnell reagiert und geantwortet.
Der Rückhalteeffekt ist nicht so riesig und auch nicht so wichtig. Eher, dass die Kinder vielleicht da und dort Feuer fangen, erleben, dass sich auch viele andere für die Sache interessieren und fortan von der Bildungsanstalt sagen können, das ist „meine Uni, da war ich auch schon“.