Was, wenn die klassische Physik nicht mehr weiter weiss? Was, wenn die heutige Computertechnologie an ihre Grenzen stösst? Dann kommt die Quantenphysik zum Einsatz. Ein Teilgebiet, welches sich einerseits durch erstaunliche und nur schwer vollstellbare Eigenschaften auszeichnet, andererseits viel Potenzial birgt. Am Café Scientifique gaben drei Forscher Einblick in ihr zukunftsträchtiges Forschungsgebiet.
„Mache die Dinge so einfach wie möglich, aber nicht einfacher“ – Mit einem Zitat von Albert Einstein eröffnete Daniel Loss, Professor für theoretische Physik an der Universität Basel, die Veranstaltung. Gemäss diesen zitierten Worten wolle er seinen Beitrag gestalten und das Publikum in die Grundlagen der Quantenphysik einführen, erklärte der Direktor des Zentrums für Quantencomputing. Die Grundlagen könne man vereinfacht mit einem Begriffen zusammenfassen: Überlagerung. „Wir sind uns gewohnt, dass Dinge nur einen Zustand auf einmal haben. Aber in der Quantenphysik gibt es nicht nur das klassische ‚entweder oder‘, sondern eben auch ein ‚sowohl als auch‘“, beschrieb Loss das Potenzial der Quantenphysik. „In der Quantenphysik geht es nicht um Sein oder Nicht-Sein. Es geht um Sein und Nicht-Sein gleichzeitig.“
Makaberes Experiment
Diese Überlagerung mehrerer Zustände – auch Superposition genannt – funktioniere nur in der mikroskopischen Welt der kleinsten Teilchen. „Wenn wir das Prinzip aber auf makroskopische Objekte übertragen, so ergeben sich paradoxe Konsequenzen“, erläuterte Loss. Prominent sei das Beispiel von ‚Schrödingers Katze‘ aus dem Jahr 1935. In dem Gedankenexperiment des Physikers Erwin Schrödinger wird eine Katze zusammen mit einem Detektor, einem Hammer und einem Gefäss mit einer giftigen Substanz in eine undurchsichtige Kiste gesperrt. Wenn das Atom zerfällt, so wird dies vom Detektor erkannt. Der Detektor löst daraufhin die Bewegung des Hammers aus, dieser zerstört das Gefäss mit der giftigen Substanz und die Katze stirbt. Doch solange die Kiste geschlossen bleibt, ist von Aussen nicht zu erkennen, ob die Katze noch lebt oder nicht. Sie befindet sich dann in einem Überlagerungszustand aus lebend und tot, welcher mit Überlagerungen in der Quantenphysik verglichen werden kann. Erst durch die Messung eines Beobachters kann der Zustand der Katze eindeutig bestimmt werden. „Ein politisch nicht ganz korrektes Beispiel“, fügte Loss schmunzelnd an. Während solche Zwischenstadien im Makroskopischen geradezu makaber klingen würden, seien sie im mikroskopischen Bereich wesentlich, führte der Pionier des Quantencomputings seine Erklärung weiter aus. Das gewöhnliche Bit eines klassischen Computers kenne nur die Werte Eins oder Null. Ein Quantenbit, Qubit genannt, hingegen kenne auch alle Zustände dazwischen. „So sind sehr viele verschiedene Variationen, also Zustände, möglich. Der Quantencomputer fasst all diese Zustände zu einem zusammen. Er kann alle Probleme gleichzeitig berechnen“, beschrieb Loss den Unterschied zwischen klassischen Computern und Quantencomputern. Durch diese gigantische Parallelität entstehe eine extreme Beschleunigung. „So kann ein Quantencomputer in etwas mehr als einer Stunde eine 500-stellige Zahl in ihre Primfaktoren zu zerlegen. Klassische Computer brauchen dafür schätzungsweise 15 Milliarden Jahre“, veranschaulichte der Physiker die Fortschrittlichkeit der Quantenmechanik. Jedoch berge das System Tücken. Die Qubits im Zustand der Überlagerung zu halten sei sehr schwierig, relativierte Loss. Deswegen stelle die Suche nach physikalischen Systemen mit langen Zerfallszeiten momentan den Fokus der Arbeit der Physiker dar.
Anwendungsgebiete
Obwohl ein solcher Quantencomputer erst in der Theorie existiert, gibt es bereits viele andere Anwendungsbereiche der Quantenphysik. Philipp Treutlein, Assistenzprofessor für experimentelle Nanophysik, schwenkte den Laserpointer, welchen er benutzte um auf seiner PowerPoint-Präsentation bestimmte Aspekte anzuleuchten, durch die Luft. „Dieser Laserstift beruht auf der Quantenphysik, wie die meisten anderen modernen Technologien auch. Die Quantenphysik wird also bereits vielfach angewandt, aber sie wird noch nicht ausgeschöpft“, erklärte Treutlein. Man könne zwar bereits rechnen und messen, mit der Quantenmetrologie könne aber beides noch viel genauer gemacht werden. „Ein Beispiel, wo dies umgesetzt wird, ist die Atomuhr. Jede Uhr braucht einen Oszillator, also ein periodisches Signal, mit der die Zeit in kleine Intervalle unterteilt wird. Bei der Pendeluhr etwa ist der Pendel der Oszillator, er schwingt einmal pro Sekunde hin und her. Die Frequenz beträgt also ein Hertz. Bei einer Atomuhr ist nun der Quantenzustand eines einzelnen Atoms der Oszillator“, so der Physiker weiter. „Die Frequenz beträgt 9 192 631 770 Hertz, die Uhr ist also sehr viel genauer“.
Alice, Bob und Eve
Einen weiteren Anwendungsbereich der Quantenphysik zeigte Richard Warburton, Professor für Experimentalphysik, auf. Er stellte dem Publikum die Quantenkryptografie vor: Verfahren, welche die Grundlagen der Quantenphysik nutzen, um Informationen vollkommen sicher zu übermitteln. „Stellen wir uns vor, dass A, sagen wir Alice, an B, sagen wir Bob, eine Nachricht senden will. Diese Nachricht besteht als Überlagerung, welche aber instabil ist“, erklärte Warburton und baute damit auf die Erklärungen von Loss auf. „Wenn nun jemand Drittes, zum Beispiel Eve, die Nachricht abhören will, so wird die Überlagerung gestört und das System kollabiert. Die Nachricht ist nicht mehr zu entziffern, die Verbindung zwischen Alice und Bob bricht ab“, beschrieb Warburton. Wenn dieses System umgesetzt werden könne, könne man absolute Sicherheit garantieren, beispielsweise beim E-banking. Ein vielversprechender Ansatz, der aber ebenfalls noch in den Anfängen steckt.
Chance und Gefahr zugleich
Während die Quantenphysik einerseits eine massive Verbesserung der Sicherheit ermöglichen könnte, stellt sie aber auch eine Bedrohung dar. Dadurch, dass ein Quantencomputer sehr grosse Zahlen sehr schnell zerlegen kann, kann er fast alles entschlüsseln. Heute übliche Verschlüsselungsverfahren von Banken oder Militärs wären innert Sekunden geknackt. „Wie panisch reagieren zum Beispiel Bankdirektoren auf diese Aussicht?“ wollte eine Zuhörerin wissen. „Sie nehmen das Ganze viel zu gelassen“, kritisierte Daniel Loss. „Die Bankdirektoren müssten sich nämlich wirklich Sorgen machen. Es gibt keinen Algorithmus, der gegen eine Quantencomputer-Attacke sicher wäre.“ Prognosen, wie lange es genau dauern wird, bis ein Quantencomputer Realität wird, können keine gemacht werden. Jedoch, so Philipp Treutlein, es sei nicht wichtig, wann der Quantencomputer tatsächlich verwirklicht werde. Denn schon nur durch die Beschäftigung mit dem Thema erreiche man zahlreiche wichtige Erkenntnisse.
Dieser Artikel wurde von der Universität Basel in Auftrag gegeben und bezahlt.