Die gentechnische Züchtung von Pflanzen (grüne Gentechnik) sollte umbenannt werden. Immer, wenn in öffentlichen Debatten von ihr die Rede ist, muss man erkennen, dass es sich dabei eher um eine eklige, schwarze Masse handelt. Mein Vorschlag: schwarze Gentechnik.
Eine Diskussion über die schwarze Gentechnik scheint immer in einem zähen und unfassbaren Gezänke enden zu müssen. Alles, was einem in der Welt missfällt, kann gleich in diese Schmiere reingepackt werden: unmoralische Firmen, grossflächige Monokulturen in der Landwirtschaft und die Züchtung von blonden, blauäugigen Kindern. Die Schlussfolgerung: Gentechnisch veränderte Pflanzen können in keinem Fall gut sein und gehören deshalb grundsätzlich verboten. Eine Tatsache in der Schweizer Landwirtschaft – mindestens noch bis 2013.
Wer möchte diese Themen schon erforschen?
Selbstverständlich müssen die negativen Auswirkungen einer Technik diskutiert, untersucht und vermindert werden. Auch ist Kritik an der heutigen Landwirtschaftspraxis durchaus angebracht. Der Einsatz von schwer abbaubaren Pflanzenschutzmitteln oder von energieintensivem Kunstdünger und die Erhaltung von langjährigen Monokulturen sind ökologisch fragwürdig. Restriktive Regelungen bei geistigem Eigentum und bei der Zulassung von Sorten schränken die Autonomie und Innovation von Bauern ein. Diese Bedenken werden tatsächlich diskutiert. So zum Beispiel mit der Lancierung des Nationalen Forschungsprogramms 59 oder bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO.
Die Bedenken haben aber nichts spezifisch mit gentechnisch veränderten Pflanzen zu tun und sollten in Diskussionen getrennt behandelt werden. Keine Technik ist an sich gut oder schlecht. Mit Dynamit können sowohl Menschen getötet als auch Baumaterialien aus Felsen gebrochen werden. So wie Dynamit moralisch neutral ist, ist es auch die grüne Gentechnik. Wer keine Bomben möchte, muss die Bomben verbieten und nicht den Dynamit. Wer keine Herbizide in der Landwirtschaft möchte, muss die Herbizide verbieten und nicht die herbizidresistenten Pflanzen. So wie Bomben auch mit anderen Sprengstoffen hergestellt werden, werden Herbizide auch ohne herbizidresistente Pflanzen ausgebracht. Aus ökologischer Sicht gibt es sowohl sinnvolle als auch sinnlose Anwendungen der grünen Gentechnik.
Die grundsätzliche Ablehnung von gentechnisch veränderten Pflanzen, hat mit diesen Bedenken ebenfalls wenig zu tun. Es sind vielmehr rational formulierte Begründungen für diffuse Ängste. Ängste vor einer unbekannten, unbeherrschbaren Frankensteinschen Technik. Schwarze Gentechnik eben. Die kann dann gleich auch noch das ominöse Bienensterben erklären. So sah das jedenfalls ein Besucher des Café Scientifique von letzter Woche in Bern. In Wirklichkeit ist das Bienensterben ist zwar immer noch ungeklärt, aber die Rolle der Gentechnik darin ausgeschlossen.
Grundsätzlich war noch nie eine Gefahr von der Gentechnik an sich zu erwarten. Inzwischen blicken wir zusätzlich auf die Erfahrung aus bald 20 Jahren Anbau zurück. Fazit: die Pflanzen sind harmlos – sowohl für Mensch als auch für Umwelt. Auf der ganzen Welt nehmen die Anbauflächen und die Erträge zu. Während in der Schweiz und in Europa die Ablehnung der Technik weiterhin bestehen bleibt.
Neben diffusen Ängsten gibt es auch handfeste wirtschaftliche Interessen. Der Schutz der einheimischen Landwirtschaft. Ob der Schutz, wirtschaftlich gesehen, etwas Gutes ist oder nicht, ist eine ganz andere Debatte. Das Label „gentechfrei“ rechtfertigt jedoch höhere Preise, erlaubt heimische Saatgutproduzenten vor Konkurrenz zu schützen und wird als Exportargument gebraucht.
Das ist eine zwar eine rein wirtschaftliche Angelegenheit, doch sie färbt auf die Wissenschaftswahrnehmung ab. Eine Antigentechnik-Spirale kommt in Gang. Wenn die verantwortungsvollen Biobauern keine Gentechnik wollen, kann es nicht gesund sein. Wenn die Gesundheitsbewussten Konsumenten es nicht essen, muss der Bauer dementsprechend produzieren. Gegenseitig bestätigt man sich seine Vorurteile.
Das alles wäre eigentlich halb so schlimm, gäbe es da nicht die Forschung. Die schlechte Stimmung gegen grüne Gentechnik ermutigt Vandalen und fanatische Gentechgegner Versuchsfelder zu zerstören. Die Sicherheitsausgaben für den Weizenfreisetzungsversuch der ETH überstiegen die Ausgaben für die Forschung. Die Karrieren von Wissenschaftlern werden verlangsamt, Studenten durch den schlechten Ruf vom Studiengang abgehalten und die betroffene Forschung in offenere Länder verlegt.
In Forschungsprojekten wird die Gentechnik bewusst ausgeklammert, um Angstreflexe zu vermeiden:
„Genetic modification (GM) is used as a laboratory tool for the identification of target genes but not in the production of crop plants: the plant varieties produced will be non-GM.“ Malaria Projekt mit der Pflanze Artemisia.
Redaktoren fürchten sich vor den Lesern:
„Sie müssen in Betracht ziehen, dass sie sich an eine eher GVO-kritische Leserschaft richten.“
Mit der Forschung verschwinden die Leute und mit den Leuten das Wissen und somit das Entwicklungspotential für die Zukunft. Man könnte nun anbringen, dass es sich lediglich um einen einzigen Forschungszweig handelt. Das ist falsch. Erstens schlägt die Stimmung des Misstrauens gegen die Wissenschaft allgemein durch. Zweitens ist gerade die Landwirtschaft eine Grundlage unseres Lebens. Die Bevölkerung der Schweiz und der Welt nimmt zu; der Druck auf die Umwelt noch viel mehr. Die Forschung inklusive Gentechnik schafft Potential für zukünftige nachhaltige Lösungen. Es braucht Forschung – auch in der Schweiz.
Wir haben zwei grosse Reichtümer: ein hoher Bildungsstandard und eine schöne Landschaft. Wenn wir es schaffen, die zu vereinen, können wir gewinnen. Wenn wir sie gegeneinander ausspielen, verlieren wir.
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Lieber Florian
Wie wir alle wissen werden Pflanzen durch Pollen bestäubt, die entweder durch Wind oder durch Insekten zu anderen Pflanzen getragen werden. Leider haben auch GV-Pflanzen diese Pollen, dadurch können auch konventionelle und biologisch angebaute Pflanzen bestäubt werden. Maispollen werden vom Wind verteilt – und zwar über tausende Kilometer. Keiner kann mir erzählen, daß Saharasand bis nach Mitteleuropa gelangen kann, aber Maispollen plötzlich nach 300 Metern zu Boden fällt! Somit werden GVOs unweigerlich über den gesamten Globus verteilt, ohne daß es es irgendeine Möglichkeit gibt dies zu verhindern! Wenn sich dann doch herausstellt, daß davon Gefahren ausgehen ist es zu spät. Außerdem nutzt die Verwendung von GVOs nur den Firmen, die sie herstellen.
Unkräuter werden bereits resistent gegen das wirklich gefährliche Roundup, daher wird wieder 2,4D verwendet (Bestandteil von Agent Orange!).
Eine vernünftige Wirtschaftsweise macht die Verwendung von GVOs obsolet, übrigens auch die von Spritzmitteln, die oft nur gebraucht werden um die von Kunstdünger aufgeblasenen Pflanzen vor Schwächeparasiten zu schützen!
MfG
Andi
Lieber Andi
Wie weit die Pollen in der Praxis tatsächlich fliegen, wurde in Experimenten für die betroffenen Pflanzen bereits getestet. Würden die Pollen der gv-Pflanzen tatsächlich um den ganzen Globus fliegen, wären sie schon seit bald 20 Jahren von den USA, Argentinien, Südafrika, Indien zu uns gelangt.
Du sprichst von Gefahren. Kannst du da irgendwie konkreter werden? Die Gefahren, die ich sehe, sind, dass wir durch die gegenwärtige Landwirtschaftspraxis unsere Böden und Gewässer belasten und dass uns dabei die Energie ausgeht und das Klima sich verschlechtert, so dass es in Zukunft schwierig werden wird, genug Lebensmittel zu produzieren. Auf welche Art die Nutzpflanzen hergestellt werden, spielt dabei überhaupt keine Rolle.
Und à propos Herbizid. Wie kommst du darauf, dass wir mit Gentechnik nur Herbizid-tolerante Pflanzen herstellen können? Und wieso bist du so sicher, dass Herbizide dem Boden mehr schaden als zum Beispiel der Pflug? Die Emotionen rund um gv-Pflanzen verhindern zurzeit jedenfalls wirksam, dass sich Hochschulforscher mit dem Thema befassen.