Ein warmer Körper, in welchem das Herz Blut durch die Arterien pumpt und dessen Brustkorb sich durch die Atmung hebt und senkt. Und doch ist er tot. Einen Tatsache, die angesichts der Unanschaulichkeit des Todes nur schwer zu akzeptieren ist. Entsprechend kontrovers wird das Thema „Hirntod als Todeskriterium“ in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen diskutiert. Am Café Scientifique vom 9. Januar 2011 wurde sowohl eine medizinische, eine juristische als auch eine ethische Perspektive aufgezeigt.
Klassische philosophische und religiöse Vorstellungen koppeln das Leben eines Menschen an dessen Herzschlag. Entsprechend wurde der Tod mit dem Ausbleiben von ebendiesem gleichgesetzt. Eine Sichtweise, welche für Jahrhunderte die allgemein anerkannten Todeszeichen bestimmte, heute jedoch keine Gültigkeit mehr besitzt. Der Tod sei „der vollständige und irreversible Funktionsausfall des Hirns inklusive Hirnstamm“, beschrieb Neurologe Stephan Rüegg das heute geltende Todeskriterium. Während also früher der Mensch als tot galt, wenn sowohl Atmung als auch Herztätigkeit stillstanden, so ist heute der Hirntod ausschlaggebend – egal ob das Herz noch schlägt oder nicht. Ein Umdenken, welches durch den medizinischen Fortschritt notwendig geworden sei, erklärte Rüegg weiter. Mit der ersten Herztransplantation im Jahre 1967 seien wissenschaftliche Diskussionen darum entbrannt, wie der Tod neu zu definieren sei. 1968 veröffentlichte die Harvard Medical School ein Konzept, in welchem neu der Hirntod als Grenze zwischen Leben und Tod definiert wurde. Ein Ansatz, der in der Fachwelt auf breite Akzeptanz stösst und in der Schweiz auch gesetzlich verankert ist. So gelten bei der Hirntodfeststellung strikte Richtlinien, etwa klinische Kriterien wie lichtstarre Pupillen oder der Verlust der Spontanatmung, zwei unabhängige Untersuchungen durch Spezialisten oder eine Wartefrist von 24 Stunden. Trotzdem sorgt das Thema bis heute für Debatten und Kontroversen, denn nach wie vor gibt es Stimmen, welche bezweifeln, dass mit dem Tod des Hirns tatsächlich vom Tod der ganzen Person gesprochen werden kann. Bedenken in diese Richtung äusserte auch Bio-Ethiker Hans-Peter Schreiber. „Ich möchte ein paar Anmerkungen machen und ihre Gedanken etwas kritischer stimmen“, deutete er nach dem Referat von Rüegg dem Publikum seine Ansicht zum Thema an. „Ich bin nicht grundsätzlich gegen den Hirntod als Todeskriterium“, erklärte der studierte Theologe und zitierte zur Bestätigung dieser Aussage den Philosophen Hans Jonas. Dieser hatte nach Veröffentlichung des Harvard-Konzeptes anerkannt, dass es nicht die Aufgabe der Medizin sei, die Glut am Glühen zu halten, sondern das Feuer am Brennen. Könne die Glut nicht mehr zu einem Feuer entfacht werden, so solle man sie verglühen lassen. Eine Ansicht, die Schreiber teilt. Was ihn jedoch störe, sei die Tatsache, dass es sich beim Hirntod nicht um eine naturwissenschaftliche Tatsache, sondern um eine Frage der Definition handle: „Es ist nichts anderes als eine Konvention, ein kulturelles Phänomen. In unterschiedlichen Kulturen gibt es unterschiedliche Vorstellungen vom Tod. Die Grenze zwischen Leben und Tod lässt sich wissenschaftlich nicht festmachen.“ So sind medizinische Richtlinien und die gesellschaftliche beziehungsweise kulturelle Wahrnehmung des Todes letztlich zwei Perspektiven auf ein und dasselbe Phänomen, und diese Perspektiven führen zu unterschiedlichen Standpunkten. Gerade deswegen sei die Diskussion darüber sehr wichtig. „Ob das Wasser bei hundert Grad Celsius siedet oder nicht, müssen wir nicht diskutieren“, beschrieb Schreiber den Unterschied zwischen naturwissenschaftlichen und ethisch-moralischen Kriterien. „Ich oute mich also“, erklärte Schreiber abschliessend, „und sage, dass ich das Hirntodkriterium zwar für wichtig erachte, mir dabei jedoch unsicher bin.“ Ironisch merkte er an, dass man in der Schweiz glücklicherweise eine Vollnarkose bekäme, wenn einem im Falle eines Hirntodes die Organe entnommen würden. Eine Anmerkung, die das Publikum aufhorchen liess: „Wenn man medizinisch als tot gilt, warum bekommt man dann noch eine Narkose? Das ist doch ein Widerspruch in sich?“, bemerkte ein Zuhörer. Neurologe Rüegg beruhigte. Die Narkose werde gemacht um Reflexe des Körpers, etwa das Ansteigen des Blutdrucks, welche auch nach dem Hirntod noch funktionieren, auszuschalten. Eine gesetzliche Vorschrift, dies zu tun, gäbe es jedoch nicht, ergänzte Jurist Stefan Grundmann. Generell sei die Rechtsprechung bezüglich des Zeitpunkts, wann das Leben eines Menschen endet, noch sehr jung. „Lange wollten sich die Juristen nicht auf dieses Minenfeld begeben. Dabei ist es aus rechtlicher Sicht sehr wichtig zu wissen, wann jemand für tot gilt, schliesslich endet damit auch dessen Rechtsfähigkeit“, so Grundmann. Inzwischen seien jedoch die Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes im Transplantationsgesetz sowie in einer ausführlichen Richtlinie der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften festgelegt.
„Was ist denn eigentlich mit der Sterbehilfe? Warum haben wir so ein grosses Problem damit?“, wandte eine junge Frau an dieser Stelle ein und führte damit die Diskussion zurück in den Bereich der Ethik. „Als Jurist kann ich das nicht beantworten“, gab Grundmann denn auch offen zu. „Das sind moralische Aspekte.“ Aus seiner Erfahrung als Vorsteher der Patientenstelle Basel könne er jedoch sagen, dass der Mensch in unserer Kultur grundsätzlich ein gestörtes Verhältnis zum Tod habe. „Wir wollen uns nicht damit beschäftigen, wir schliessen es geradezu aus“, erzählte Grundmann.
Abschliessend war das Credo der Wissenschaftler also trotz unterschiedlicher fachlicher Ansichten das gleiche: Der Tod ist ein heikles und kontroverses Thema, welches in einer öffentlichen Diskussion verhandelt werden sollte und muss. Schliesslich ist es, um in den Worten Schreibers zu sprechen, „keine Frage nach dem Siedepunkt des Wassers.“
Ich verstehe gegenwärtige Aufregung um den Hirntod nicht ganz. Der irreversible Ausfall des Hirns ist jedenfalls ein besseres Kriterium als der Herzstillstand. Ich bin überzeugt, dass dies sogar eine „Kulturelle Konvention“ darstellt. Jedenfalls bei allen, die wissen, dass das Herz vor allem eine Pumpe ist und nicht zur Persönlichkeit beiträgt.
Es gibt auch den quälend langsamen und niemals zugegebenen Tod, den China nebst gewaltsamen Morden seit 50 Jahren zum Beispielan den TibeterInnen ausübt: Schwangere Frauen werden (sollten sie in einen chin. Klinik auftauchen) zu oft und sogar bis zum 9. Monat zum Abtreiben gezwungen! In den Schulen wird nur noch chinesisch unterrichtet, und last but not least wird das Land regelrecht ausgenommen: Mineralien, Metalle und Wasser werden entnommen, lies http://tibetfocus.com/2011/01/10/tibet-information-der-gstf-vom-10-januar-2011/ ! Mit jedem Handy oder anderen elketronischen Geräten gefährden wir TIbet massiv. Dazu fällt mir nur eine Idee ein: kaufen wir Tibet von China los und errichten einen Nationalpark.
Genauso verhält es sich mit dem Hirntod: Er wurde eingeführt, damit man allenfalls Organe entnehmen, lies ausbeuten, kann. Und wir beklagen uns über die zunehmende sowie zunehmend älterer Bevölkerung? Konsequenz ist auch da gefragt.
@ Florian: Das Herz nur als Pumpe und nicht zur Persönlichkeit beitragen zu sehen, ist meines Erachtens falsch. Denn das Herz ist als Organ sehr eng mit den Grundfunktionen unseres Hirns verknüpft und reagiert sehr schnell auf Veränderung dessen. Diese neuronale Verbindung ist Vergleichbar mit einem Motor und dessen Steuerung. Folglich kann man annehmen, dass Veränderungen am Herzen zu Veränderungen im Unterbewusstsein und somit auch der Psyche führt.
@Adrian
Es ist vermutlich sogar wichtig für erfolgreiche Herztransplantationen. Das Herz ist nicht nur ein Muskel, wie alle anderen Organen werden andere (Boten)Stoffe hin und her geschickt. Anfangs von David Servan-Schreiber’s Buch „Die neue Medizin der Emotionen“ ist der Zusammenhang von Herz und emotionalem Hirn sehr klar beschrieben.
Was wäre dann eurer Meinung das beste Kriterium für den Tod? Ein stillstehendes Herz kann man in gewissen Fällen wieder reanimieren. Der Stillstand muss also nicht irreversibel sein. Bis die letzte Zelle des Körpers stirbt, dauert es Stunden, vielleicht Tage.
Ich kann mich dem Herrn Schreiber nur anschliessen: Das Hirntodkriterium ist wichtig und nützlich, aber es bleibt eine gewisse Mulmigkeit.
Mir drängt sich hier eine verwandte Frage auf: Wie erklärt Ihr euch Nah-Todes-Erfahrungen?
Nach Eintritt des klinischen Todes verliert der Patient durch die mangelnde Sauerstoffversorgung das Bewusstsein. Nach 20-40s ist per EEG keine Gehirnaktivität mehr feststellbar und trotzdem machen manche Patienten in diesem minutenlangen Zustand Erfahrung.
Häufig kommt ja der Einwand, dass eine Null-Linie auf dem EEG kein Beweis für das völlige Fehlen von Hirnaktivität ist, weil das EEG ja hauptsächlich die cortikale Aktivität misst. Das stimmt natürlich, aber der Einwand ist verfehlt. Die Frage muss nicht lauten, ob es überhaupt eine Form von Hirnaktivität gibt, sondern ob es eine spezifische Hirnaktivität gibt, die von Neurowissenschaftlern als notwendige Bedingung für eine bewusste Erfahrung bezeichnet wird. Die Antwort lautet: nein.
Weiteres zum Thema bei der NZZ:
http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/schweiz/die_organspende_beginnt_vor_dem_hirntod_1.9595936.html