Mycoplasma mycoides JCVI-syn1.0 – so die Bezeichnung der ersten synthetisch geschaffenen Bakterie, welche vor wenigen Monaten vom amerikanischen Biochemiker Craig Venter und dessen Team gebaut wurde. Den Forschern gelang es erstmals, das gesamte Erbgut einer Zelle im Labor künstlich herzustellen und in eine bakterielle Zelle zu implantieren, welcher zuvor das eigene Erbgut entfernt worden war. Die Zelle begann daraufhin, Kopien nach den Anweisungen der Fremd-DNA herzustellen.
Ein bedeutender Entwicklungssprung, welcher aber zugleich auf Skepsis stösst und Angstszenarien erzeugt. Wird der Mensch nun zum gottähnlichen Schöpfer? Oder handelt es sich bei den synthetisch erzeugten Zellen gar nicht um »Lebendiges«? Ist »künstliches Leben« gar per se ein Paradoxon?
Am Café Scientifique vom 14. November diskutierten Experten unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen mit dem Publikum über Sinn, Unsinn, Chancen und Gefahren der synthetischen Biologie.
»Der (lange) Weg zum Bioingenieur« – ein Referatstitel, mit welchem Sven Panke, Professor für Bioverfahrenstechnik, gleich zweierlei verdeutlichte: Dass die synthetische Biologie zugleich Ingenieurs- als auch Naturwissenschaft ist und dass es sich dabei um ein sehr komplexes Forschungsgebiet handelt. »Wir befinden uns in einem Prozess, an dessen Ende wir noch lange nicht angekommen sind. Wir sind ‚on-the-road‘«, beschrieb der Spezialist für Biosysteme und Bioengineering. Die Erkenntnisse von Craig Venter seien ein technologischer Meilenstein auf diesem Weg. Erstmals sei aufgezeigt worden, wie man experimentell konsistent eine minimale Zelle entwickeln kann. »Es entsteht damit ein völlig neuer Hintergrund, um Experimente durchzuführen«, erzählte Panke weiter.
Dass diese Experimente bereits Früchte tragen bewies Daniel Gygax, Professor für Chemie und Bioanalytik. Er schilderte dem Publikum die praktischen Anwendungsmöglichkeiten der synthetischen Biologie anhand eines unschönen Szenarios: »Stellen Sie sich vor, es ist Samstagabend auf der Notfallstation eines Spitals. Ein junger Mensch wird eingeliefert, er ist komatös. Es besteht Verdacht auf Drogenkonsum, der Arzt kann dies aber nicht bestätigen lassen und weiss folglich nicht, wie er den Patienten behandeln muss.« Ausgehend von dieser Situation versuchte Gygax mit seinem Team ein diagnostisches Testkit zu entwickeln, mit welchem der Konsum der Partydroge »Liquid Ecstasy« schnell und unkompliziert nachgewiesen werden kann. »Es ist uns gelungen«, beschrieb Gygax und präsentierte dem Publikum eine unscheinbar wirkende dunkelblaue Kartonschachtel, welche das Testkit beinhaltet.
Neue Technologien wie die synthetische Biologie bringen jedoch nicht nur Fortschritt, sondern auch Risiken und Probleme, insbesondere im Bereich der Ethik. »Laborerkenntnis ist problematisch«, äusserte Philosoph Andreas Brenner und brachte damit eine philosophische Betrachtungsweise der Thematik in die Diskussion ein. Es sei grundsätzlich heikel, Leben von aussen zu beschreiben, da es sich dabei um etwas Subjektives handle, so Brenner. »Es bliebt immer ein unverständlicher Rest, der nicht erfasst werden kann.« Aber kann man Protozellen, wie Craig Venter sie entwickelt hat, überhaupt als »Leben« bezeichnen? Bejahe man diese Frage, so leugne man den Selbstcharakter des Lebens, beschrieb Brenner seine Sichtweise und führte aus, dass Leben die Ursache seiner Selbst und somit immer selbst gemacht und aktiv sei. Er gelangte folglich zum Schluss: »Man kann Leben nicht machen. Der Begriff »künstliches Leben« ist ein Widerspruch in sich.«
Eine Sichtweise, die vom Publikum nicht widerspruchslos akzeptiert wurde. »Seit Jahrtausenden tauschen Bakterien ihre DNA untereinander aus, die Natur ist darauf eingerichtet«, argumentierte ein Zuhörer. »Die synthetische Biologie tut nichts, was in der Natur nicht sowieso passiert und ist entsprechend harmlos.« Tatsächlich sei der Rahmen, in welchem sich die momentane Forschung bewege, durchaus bescheiden, bestätigte Panke. Nichtsdestotrotz könne man immer mehr Gene gezielt verändern und umbauen, wodurch zwar viele Möglichkeiten, aber eben auch Risiken entstehen. »Wie steht es um die Risiken bei genetisch veränderten Organismen, die man als Nahrung zu sich nimmt?« wollte ein anderer Zuhörer wissen und holte damit das komplexe Thema in einen fassbaren und lebensnahen Bereich. »Kann das auch schädigend sein?« Sowohl Gygax als auch Panke verneinten und beruhigten. Brenner jedoch äusserte sich kritisch: »Es gibt solche Lebensmittel erst seit circa dreissig Jahren. Wir wissen nichts über die langfristigen Folgen.«
Die gegensätzlichen Positionen der Experten blieben auch im weiteren Verlauf der Diskussion bestehen und verdeutlichten die verschiedenen Blickwinkel der einzelnen Disziplinen. Dank der geschickten Gesprächsführung von Moderator Christoph B. Keller konnte die kontroverse Diskussion abschliessend jedoch von Daniel Gygax auf den Punkt gebracht werden: »Wir wissen nicht, wo die Reise hinführen wird. Egal in welche Richtung wir gehen werden, wir werden immer wieder von Neuem abschätzen müssen, ob die Entwicklungen die Risiken, die sie bergen, wert sind.«
Komplexes Lego mit Zündstoff Mycoplasma mycoides JCVI-syn1.0 – so die Bezeichnung der ersten synthetisch geschaffenen Bakterie, welche vor wenigen Monaten vom amerikanischen Biochemiker Craig Venter und dessen Team gebaut wurde. Den Forschern gelang es erstmals, das gesamte Erbgut einer Zelle im Labor künstlich herzustellen und in eine bakterielle Zelle zu implantieren, welcher zuvor das eigene Erbgut entfernt worden war. Die Zelle begann daraufhin, Kopien nach den Anweisungen der Fremd-DNA herzustellen.Ein bedeutender Entwicklungssprung, welcher aber zugleich auf Skepsis stösst und Angstszenarien erzeugt. Wird der Mensch nun zum gottähnlichen Schöpfer? Oder handelt es sich bei den synthetisch erzeugten Zellen gar nicht um »Lebendiges«? Ist »künstliches Leben« gar per se ein Paradoxon?Am Café Scientifique vom 14. November diskutierten Experten unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen mit dem Publikum über Sinn, Unsinn, Chancen und Gefahren der synthetischen Biologie. »Der (lange) Weg zum Bioingenieur« – ein Referatstitel, mit welchem Sven Panke, Professor für Bioverfahrenstechnik, gleich zweierlei verdeutlichte: Dass die synthetische Biologie zugleich Ingenieurs- als auch Naturwissenschaft ist und dass es sich dabei um ein sehr komplexes Forschungsgebiet handelt. »Wir befinden uns in einem Prozess, an dessen Ende wir noch lange nicht angekommen sind. Wir sind ‚on-the-road‘«, beschrieb der Spezialist für Biosysteme und Bioengineering. Die Erkenntnisse von Craig Venter seien ein technologischer Meilenstein auf diesem Weg. Erstmals sei aufgezeigt worden, wie man experimentell konsistent eine minimale Zelle entwickeln kann. »Es entsteht damit ein völlig neuer Hintergrund, um Experimente durchzuführen«, erzählte Panke weiter. Dass diese Experimente bereits Früchte tragen bewies Daniel Gygax, Professor für Chemie und Bioanalytik. Er schilderte dem Publikum die praktischen Anwendungsmöglichkeiten der synthetischen Biologie anhand eines unschönen Szenarios: »Stellen Sie sich vor, es ist Samstagabend auf der Notfallstation eines Spitals. Ein junger Mensch wird eingeliefert, er ist komatös. Es besteht Verdacht auf Drogenkonsum, der Arzt kann dies aber nicht bestätigen lassen und weiss folglich nicht, wie er den Patienten behandeln muss.«
Ausgehend von dieser Situation versuchte Gygax mit seinem Team ein diagnostisches Testkit zu entwickeln, mit welchem der Konsum der Partydroge »Liquid Ecstasy« schnell und unkompliziert nachgewiesen werden kann. »Es ist uns gelungen«, beschrieb Gygax und präsentierte dem Publikum eine unscheinbar wirkende dunkelblaue Kartonschachtel, welche das Testkit beinhaltet. Neue Technologien wie die synthetische Biologie bringen jedoch nicht nur Fortschritt, sondern auch Risiken und Probleme, insbesondere im Bereich der Ethik. »Laborerkenntnis ist problematisch«, äusserte Philosoph Andreas Brenner und brachte damit eine philosophische Betrachtungsweise der Thematik in die Diskussion ein. Es sei grundsätzlich heikel, Leben von aussen zu beschreiben, da es sich dabei um etwas Subjektives handle, so Brenner. »Es bliebt immer ein unverständlicher Rest, der nicht erfasst werden kann.« Aber kann man Protozellen, wie Craig Venter sie entwickelt hat, überhaupt als »Leben« bezeichnen? Bejahe man diese Frage, so leugne man den Selbstcharakter des Lebens, beschrieb Brenner seine Sichtweise und führte aus, dass Leben die Ursache seiner Selbst und somit immer selbst gemacht und aktiv sei. Er gelangte folglich zum Schluss: »Man kann Leben nicht machen. Der Begriff »künstliches Leben« ist ein Widerspruch in sich.«Eine Sichtweise, die vom Publikum nicht widerspruchslos akzeptiert wurde. »Seit Jahrtausenden tauschen Bakterien ihre DNA untereinander aus, die Natur ist darauf eingerichtet«, argumentierte ein Zuhörer. »Die synthetische Biologie tut nichts, was in der Natur nicht sowieso passiert und ist entsprechend harmlos.« Tatsächlich sei der Rahmen, in welchem sich die momentane Forschung bewege, durchaus bescheiden, bestätigte Panke. Nichtsdestotrotz könne man immer mehr Gene gezielt verändern und umbauen, wodurch zwar viele Möglichkeiten, aber eben auch Risiken entstehen. »Wie steht es um die Risiken bei genetisch veränderten Organismen, die man als Nahrung zu sich nimmt?« wollte ein anderer Zuhörer wissen und holte damit das komplexe Thema in einen fassbaren und lebensnahen Bereich. »Kann das auch schädigend sein?« Sowohl Gygax als auch Panke verneinten und beruhigten. Brenner jedoch äusserte sich kritisch: »Es gibt solche Lebensmittel erst seit circa dreissig Jahren. Wir wissen nichts über die langfristigen Folgen.«
Die gegensätzlichen Positionen der Experten blieben auch im weiteren Verlauf der Diskussion bestehen und verdeutlichten die verschiedenen Blickwinkel der einzelnen Disziplinen. Dank der geschickten Gesprächsführung von Moderator Christoph B. Keller konnte die kontroverse Diskussion abschliessend jedoch von Daniel Gygax auf den Punkt gebracht werden: »Wir wissen nicht, wo die Reise hinführen wird. Egal in welche Richtung wir gehen werden, wir werden immer wieder von Neuem abschätzen müssen, ob die Entwicklungen die Risiken, die sie bergen, wert sind.«