To buy or not to buy? Haben statt Sein – so der Leitgedanke der Konsumgesellschaft, wie die moderne westliche Gesellschaft seit den 1950er-Jahren häufig bezeichnet wird. Der Konsum stillt längst nicht mehr nur lebensnotwendige, sondern insbesondere auch immaterielle Bedürfnisse, sind sich Wissenschaftler verschiedener Disziplinen einig: Das Konsumieren um seiner selbst willen definiert die Lebensform der Moderne. Soweit die Theorie. Wie aber gestaltet sich der Konsum in der Praxis? Vielfältige Entscheidungsprozesse liegen Kaufentscheidungen zugrunde, wie die Experten am Café Scientifique vom 10. Oktober 2010 aufzeigten. Die zentrale Frage lautet also: „Wie treffen wir Entscheidungen?“
Rationalität oder Intuition: Diese zwei grundlegenden Methoden habe der Menschen zur Verfügung, um Entscheidungen zu fällen, beschrieb Ralph Hertwig, Professor für Entscheidungspsychologie. Während sich der erste Prozess durch langes Abwiegen, Überlegen und Vergleichen auszeichne, stehe beim zweiten das Bauchgefühl und die Spontaneität im Vordergrund. „Lassen Sie mich dies anhand eines Beispiels aus dem Sportbereich erklären“, führte der Experte weiter aus. „Sie wollen einen Ball fangen. Rational wäre es, die Flugbahn zu berechnen und dadurch den Aufprallort des Balles zu ermitteln. Das macht natürlich niemand!“ Viel effizienter sei in derartigen Situationen die Anwendung von Heuristiken – Methoden, um innerhalb kurzer Zeit mit begrenztem Wissen Lösungen zu entwickeln. „Heuristiken sind einfache Regeln, die uns helfen Entscheidungen zu fällen“, so Hertwig. Doch nicht nur die eigene situative Bedingung und Gefühlslage spiele bei der Entscheidungsfindung eine Rolle – oftmals tangierten Entscheidungen zusätzlich zur Einzelperson auch deren Umfeld. In diesen Fällen sei Selbstkontrolle und Bedürfnisregulierung gefragt, wie Sozialpsychologin Daria Knoch erklärte. „Im sozialen Kontext begegnen wir alle täglich Situationen, in welchen wir unseren unmittelbaren Bedürfnissen und Impulsen widerstehen müssen“, beschrieb die Assistenzprofessorin. Wie aber funktioniert diese Selbstkontrolle? Untersuchungen im Labor hätten gezeigt, dass insbesondere das Frontalgehirn für derartige Prozesse verantwortlich sei. Durch sogenannte transkranielle Magnetstimulationen wurde bei Probanden der Kontakt zwischen den Neuronen im Frontalgehirn vorübergehend gestört. Als Folge seien die Probanden beispielsweise egoistischer und enthemmter geworden.
„Es ist entscheidend, was im Gehirn passiert“, bestätigte auch Arnd Florack, Professor für angewandte Psychologie. „Menschen sind keine Marionetten. In jedem Gehirn laufen andere Prozesse ab und daraus resultieren andere Entscheidungen“, so der Referent weiter. Oft sei dem Menschen dabei gar nicht bewusst, was seine Handlungen prägt. „Es sind winzige Dinge, die einen grossen Unterschied ausmachen können“, beschrieb Florack. Beispielsweise konnte in einer Studie nachgewiesen werden, dass die Hintergrundmusik in einem Supermarkt die Kaufentscheidungen der Kunden beeinflusst. „Wurde der Song aus der ‚Becks‘-Werbung aufgelegt, so stiegen die Verkaufzahlen der Biermarke um 27 Prozent. Und dies, obwohl die anschliessend befragten Käufer die Musik gar nicht bewusst wahrgenommen hatten“.
„Zappeln wir also an den Fäden des Unbewussten?“, wollte Moderatorin Odette Frey daraufhin leicht entsetzt wissen. Daria Knoch beruhigte. Bei Entscheidungsprozessen handle es sich um duale Systeme, bestehend aus Intuition als auch Kognition. Beide Aspekte seien jeweils wichtig und lediglich je nach Situation anders gewichtet. Grundsätzlich aber seien Entscheidungen sehr komplex und Orientierungs- und Urteilshilfen deswegen unerlässlich. Moderatorin Frey nickte zustimmend: „Bei 100’000 täglichen Entscheidungen würden wir wohl morgens kaum aus dem Bett kommen, wenn uns das Unbewusstsein nicht dabei helfen würde“.