Ich muss ein Geständnis ablegen: Ich freue mich immer, wenn es die Wissenschaft auf Titelseiten und ins Fernsehen schafft. Aber Millionen Jahre alte Hominiden-Knochen interessieren mich nicht! Weshalb klappert der Knochenreigen immer auf allen Kanälen?
Am Donnerstag hat das Science Magazin neue Knochenfragmente in den Blätterwald geschickt– diesmal heissen sie „Australopithecus sediba“. Das Ritual folgt dem immer gleichen Protokoll (vielleicht erinnern Sie sich noch an Ida). Der Reigen wird begleitet vom Chor der Spekulierenden: Ist es eine neue Hominiden-Art? Ist es ein Missing Link? Ist das Konzept des Missing Link überhaupt Wissenschaft? Wie kann etwas ein Missing Link sein, wenn man es soeben gefunden hat?
Es folgen die Fanfaren – die Menschheitsgeschichte als Aufrichtung. „Ein Affenmensch mit fortschrittlichen Zügen“, titelt die NZZ. Und spricht danach von den „schwerfällig aufrecht gehenden „Affenmenschen““ und den „agilen Frühmenschen“.
Liest man mehrere Artikel durch, weiss man folgendes: Ob es eine neue Hominidenart ist, ist unsicher. Auch ist nicht klar, ob Herr und Frau Sediba die gemeinsamen Vorfahren des Menschen und der Affenmenschen ist. Die NZZ kommt zum treffenden Schluss: „Jedenfalls bestätigt die mosaikartige Merkmalskombination von Australopithecus sediba einmal mehr, dass die Hominidenevolution (wie jegliches Evolutionsgeschehen überhaupt) nicht einsinnig und geradlinig verlief, sondern einen windungsreichen Weg genommen haben muss.“ Genau: Wir haben gelernt, was wir vorher schon wussten. „Die Welt“ titelte angemessen: „Und noch eine neue Menschenart“.
Kurz: Liebe Medien, bringt Wissenschaft, das es klappert, aber nicht immer nur Knochen!
Eine Journalistenregel besagt: Findet man keine gute Überschrift, ist die Geschichte nichts wert. Urteilen Sie selbst:
- Rätselhafte Urform des Menschen entdeckt
- Australopithecus sediba, der Quell des Menschen?
- Australopithecus sediba: Der rätselhafte Vormensch
- Kind findet ältesten Urahn
- AUSTRALOPITHECUS SEDIBA Skelettfunde als Bindeglied zwischen Affe und Homo
- Spektakulärer Fund: Neuer Urmensch mit Google Earth entdeckt
- Anthropologie: Der verschollen geglaubte Uronkel
- Wissenschaftler entdecken neue Hominiden-Art
- Der Mensch hat neue Vorfahren
- Sensation in Südafrika: Forscher finden rätselhafte neue Vormenschen-Art
- Urahn des Menschen gefunden: 1,9 Millionen Jahre alt
- Neu entdeckter Hominid schließt eine Lücke der Evolution
- Geburtsstunde der Urmenschen
- Missing Link nahe der „Wiege der Menschheit“
- Möglicher Urahn des Menschen in Südafrika entdeckt
- 1,9 Millionen Jahre alter Menschenvorfahr
- Weiterer Urahne des Menschen entdeckt?
Gähn!