Sonntagnachmittag am Pfluggässlein, es ist kurz vor drei Uhr. Im Hörsaal des Pharmaziehistorischen-Museums steht ein Mann, blickt verzweifelt umher. Eigentlich sollte er das Café Scientifique moderieren. Doch nicht nur sind die falschen Referenten angereist, auch fehlt das Publikum. Ein Horror-Szenario. Abgespielt hat es sich glücklicherweise nur im Kopf von Christoph B. Keller, Leiter der Gesellschaftsredaktion von DRS 2. Er moderierte das Café Scientifique vom 11. April. Mit den richtigen Referenten und sehr viel Publikum.
„Haben Sie gut geschlafen?“ begrüsste Keller das Publikum, bevor er sein nächtliches Schreckensszenario dargelegte. Ob es sich dabei um einen Alptraum oder doch eher um einen Traum der überschäumenden Vorfreude gehandelt hat, blieb offen. Geklärt wurden hingegen vielerlei Aspekte rund um das Thema Träume. Den Anfang machte Prof. Michael Schredl, Psychologe und Schlafforscher am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Zuerst stellte er die grundlegende Frage, um was es sich bei einem Traum überhaupt handelt: „Eine psychische Aktivität während des Schlafens“ lautete die einfach Antwort.
Weniger einfach hingegen gestaltete sich die Frage nach der Funktion von Träumen. Forscher vertreten hierbei unterschiedliche Positionen. Während die einen davon ausgehen, dass im Schlaf Lernprozesse gefestigt werden und das Träumen der Gedächtniskonsolidierung dient, vertreten andere die Ansicht, dass durch das Träumen Erlebnisse und Probleme reflektiert und verarbeitet werden. Eine dritte Position proklamiert, dass Träume gar keine Funktion erfüllen und lediglich der Erholung dienen. Schlaf um des Schlafens Willen also.
Eine Ansicht, die von der Traumforscherin Prof. Inge Strauch nicht geteilt wird. Die zweite Referentin gab in ihrem Vortrag Einblicke in die Labore der Schlaf-Forschung. Bei einer Traumuntersuchung werden den Probanden Silberelektroden an Stirn, Kopfhaupt und Kinn befestigt. Durch die Messung der Hirnstromaktivität sowie der Muskelspannung kann eine genaue Abfolge der verschiedenen Schlafstadien aufgezeichnet werden. Die Schläfer werden viermal während der sogenannten Rapid-Eye-Movement-Phase (REM), geweckt. In diesem Schlafstadium besteht ein besonders gutes Traumerinnerungsvermögen. Deswegen werden die Probanden dann gebeten, ihre Träume als detailliert als möglich zu beschreiben. Solche Untersuchungen zeigen, was zuvor bereits Prof. Schredl angesprochen hatte: Träume sind meist sehr realistisch und stehen in engem Zusammenhang mit realen Erlebnissen.
Vom Schlaflabor ging es weiter in die Psychotherapie. Dorthin kommen die Patienten nicht wegen ihrer Träume, jedoch mit ihren Träumen, wie Dr. med. Christian Kläui, Psychotherapeut aus Basel erklärte. Der Spezialist für Psychoanalyse verglich Träume mit einem Eintopf. Dieser bestehe – wie Träume auch – aus vielen einzelnen Zutaten, welche je eine unterschiedliche Bedeutung haben. Es entstehe ein bedeutsames Ganzes bei dem aber insbesondere die Verbindungen der einzelnen Teile wichtig seien. Und so sei es bei Träumen zentral, die einzelnen assoziativen Verbindungen herauszuarbeiten und diese dann im Gesamtkontext zu betrachten.
Auch im letzten Referat wurde das Kontinuum von Wachzustand und Schlafzustand betont. Psychologe Dr. Klaus Bader zeigte auf, wie Lebensbelastungen, etwa Krankheit oder Todesfälle, sich in Träumen widerspiegeln können. Im Anschluss an die Referate wollte Moderator Christoph B. Keller es genauer wissen: „Sie als Traumforscher, sie träumen ja auch. Wie hat ihre Beschäftigung mit dem Traum ihr Träumen beeinflusst?“ Die Redner schmunzelten und Prof. Schredl meinte: „Ich schreibe all meine Träume auf. Es ist gar schon vorgekommen, dass ich geträumt habe, wie ich den Traum aufschreibe und interpretiere.“ Traumforscherin Strauch fügte an, dass sie sich durch den Beruf angewöhnt habe, nach dem morgendlichen Aufwachen nicht gleich in den Tag zu stürzen, sondern den letzten Zipfel des Traums einzufangen und diesen zu reflektieren. Nicht nur der Moderator wollte von den vier Spezialisten noch mehr erfahren, auch das Publikum zeigte sich in der anschliessenden Diskussionsrunde geradezu unersättlich. Die Fragen zielten auf die unterschiedlichsten Bereiche des weiten Themas: Den Einfluss von Schlafmitteln auf Träume, den Zusammenhang zwischen Hormonkonzentration und Träumen, den Aspekt der Farben oder Zeitverhältnissen in Träumen, die heilsame Wirkung von Träumen oder gar persönliche Traumerfahrungen.
Ein äusserst wachsames Publikum bei einem traum-haften Thema.