Während am Bummelsonntag draussen Drummel- und Pfeifftöne durch die Gassen hallten, wurde drinnen über die Wirkung von Klängen referiert und diskutiert: Das Café Scientifique vom 14. März 2010 widmete sich der Musik und deren Emotionalität.
„Musik ist die organisierte Form von Schallereignissen“ zitierte Moderator Martin Hicklin zu Beginn der Veranstaltung und stellte fest, dass damit viel und doch wenig gesagt sei. Und so übergab er an die Expertenrunde, welche einen Einblick in die verschiedenen Facetten des weiten Themenfeldes geben sollten. Den Anfang machte Dr. Dagmar Hoffmann-Axthelm, Psychologin und Musikwissenschaftlerin. Sie stellte das Phänomen, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft und Lebenssituation bei einem Musikstück ähnliche Emotionen verspüren, in den Mittelpunkt ihres Referats. „Es muss zwischen Komponist, ausführendem Musiker und Zuhörer eine gleichschwingende Membran geben, damit derart ähnliche Empfindungen entstehen“, erläuterte die Psychotherapeutin.
Der zweite Referent, Musikwissenschaftler Dr. Matteo Nanni, stimmte zu. Musik sei eine allgemein verständliche Sprache, welche Gefühle hervorbringe. Und so brauche es eigentlich gar keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Musik und Emotionen in einem engen Zusammenhange stehen, denn „jedermann erlebt es am eigenen Leibe“. Und doch, so der Wissenschaftler, interessiert das Phänomen schon seit der Antike. Bereits Platon hatte in seinem Werk Politeia auf die Macht der Musik aufmerksam gemacht. Wie die emotionale Wirkung effektiv erzielt werden kann, zeigte Dr. Nanni anhand dreier Hörbeispiele. Am Beispiel von Pausen in Liedern veranschaulichte er, wie durch das Aussetzen des Klanges und die Unterbrechung des musikalischen Flusses die Aussagekraft verstärkt werden kann.
Nachdem die Klänge von Bach und Mahler verklungen waren, setzte der dritte Referent an und holte die Zuhörer damit wieder in die Neuzeit zurück. Dr. Christofer Jost sprach über das noch junge Forschungsfeld der Popularmusikforschung und klärte zu Beginn gleich die oft missverstandene Betitelung. „Populäre Musik ist nicht gleich Rock- und Popmusik und auch nicht nur gleich Vergnügen oder triviale Unterhaltung. Vielmehr handelt es sich bei der populären Musik um eine Gegenwartskultur in allen Schichten, welche hochgradig sinnstrukturiert ist.“
„Und warum ist populäre Musik so populär?“ fragte es aus dem Publikum. Früher hatte die Musik eine breite Identifikationsfläche geboten und den Jungen ermöglicht, sich von der älteren Generation abzugrenzen, antwortete Christofer Jost. Dieser subversive Charakter der Musik sei heute jedoch „nicht mehr so dramatisch“. Auch die älteren Generationen seien inzwischen mit populärer Musik aufgewachsen und so käme es heute durchaus vor, dass Eltern mit ihren Kindern ein Rammstein-Konzert besuchen. Dr. Hoffmann-Axthelm ergänzte, dass der Zugang zu populärer Musik einfacher sei als zu klassischer Musik. Viele Leute würden gerne ein klassisches Konzert besuchen, sich jedoch nicht getrauen.
An dieser Stelle wandte sich ein Zuhörer geradezu aufgebracht an die Referenten. „Wir reden immer nur vom Rezipienten. Niemand erwähnt die Industrie! Junge Leute können sich klassische Konzerte schlicht nicht leisten und die traditionelle Musik wird auch nicht derart vermarktet, wie es bei der populären Musik geschieht“. Es folgte eine engagierte Diskussion zwischen Publikum und Referenten, wobei sich die drei Musikwissenschaftler nicht einigen konnten, ob nun die Musik als Solches, die Marketingstrategie, die Technik der Musik oder doch die Seele des Zuhörers entscheidend sei für Erfolg und Emotionalität der Musik. Dr. Jost vermochte jedoch abschliessend zusammenzufassen, was denn nun die Wirkung eines Musikstückes bestimme: Die klangstrukturellen Verbindungen wie Melodie oder Rhythmus, die Aufführung davon, die kulturelle Bedingtheit des Zuhörers sowie der situative Kontext. Damit war die Diskussion jedoch längst nicht beendet. Es folgten weitere Einwände und Fragen sowohl von Publikums- als auch Referentenseite. Nach zwei Stunden beendete der Moderator die Veranstaltung. Viele unterschiedliche Meinungen und unbeantwortete Fragen blieben im Raum zurück. Deutlich wurde vor allem eins: Musik weckt Emotionen, und sei es nur, weil man darüber spricht.
Ich war ebenso an diesem Event und war hochgradig erstaunt wie man im Vorfeld mit entsprechender Rethorik dieses Thema umworben und wenigstens in mir Erwartungen geweckt hat, die ganz und gar nicht erfüllt werden konnten…Schade…
Ich hatte geglaubt, dass „Experten“ die sich mit dem Thema ständig befassen ein wenig mehr Substanz beitragen können.
Leider weitestgehend nur grau Theorie und intelektuell, wissenschaftliche Aspekte welche m.E. nach am wesentlichen vorbeizielen.
Da haben Menschen wie „Hans Cousto“, „Joachim-Ernst Berendt“, „Kenny Werner“ od. sogar „Evelyne Glennie“ sehr viel tiefer und weiter gehende Erfahrungen und Einsichten mitzuteilen.
Ich gelange zur Überzeugung, dass man selber mit Haut und Haaren Musik machen soll und selber zum Instrument werden kann um dies zu begreifen…
Musik hat (soweit ich mich richtig Erinnere) gem. Berndt’s Studien historisch betrachtet in erster Linie einen spirituellen Aspekt und entspringt dem Wunsch in eine Art Einklang mit dem „göttlichen“ oder auch „höheren Selbst“ zu gelangen…sie kommt dann aus einer richtigen „Passion“ und berührt den Musiker und den Zuhörer in nahezu gleichem Mass, da hier „Saiten“ der Seele gezupft werden welche Ihre Entsprechung in diversen Gefühlen oder Gemütszuständen finden. Man kann hier wortwörtlich von Resonanz sprechen.
Leider kann Musik auch missbraucht werden in dem bewusst od. unbewusst diese Resonanzen hervorgerufen werden.
Nebst dem wird in der Musik häufig auch die Begrifflichkeit der universellen Sprache verwendet, dies schlägt sich dann nieder in immer wiederkehrenden allgemein als gut klingend anerkannte Akkordprogressionen, Rythmen oder Melodiepatterns. Welche wie in einer sprachlichen Grammatik verwendet werden und über Statements, zu Satzkonstrukten und schliesslich ganzer Geschichten werden welche dann als Ganzes Ihrer Wirkung auf den Hörer ausüben. Diese findet auch jeweils eine regionale, kulturelle Ausprägung bzw. Ausbreitung. (wie die gesprochen Sprache…)
Insofern wage ich es die Theoreme zur Information von „Prof. Dr. Werner Gitt“ auf die Musik zur Anwendung zu bringen…
Alldem kann aber möglicherweise nur derjenige folgen welcher auch bereit ist über den Zaun des rein intelektuellen Verständnis hinaus zu schauen.
HKR