Die manipulativen E-Mails der University of East Anglia, der Himalaya-Gletscher-Skandal – beides erwies sich in der Sache, nicht in der Wirkung, als Miniskandal – und das Debakel von Kopenhagen haben die Klimagemeinde aufgeschreckt. Experten machen sich in der aktuellen Ausgabe von Nature Gedanken über die Zukunft des Intergovernmental Panel on Climate Change, bekannt unter dem Kürzel IPCC.
Mike Hulme von der mittlerweile allzu berühmten University of East Anglia möchte das IPCC 2014 aufsplitten: in ein „Global Science Panel“, welches die naturwissenschaftlichen Grundlagen zusammenträgt; in 5-10 „Regional Evaluation Panels“, welche die kulturellen, sozialen und ökonomischen Konsequenzen auf die Regionen untersuchen (schon die Regionalisierung der Klimamodelle ist nach wie vor eine der grössten Knacknüsse); und in ein „Policy Analysis Panel“, welches innert weniger Monate Lösungsansätze evaluieren kann.
Eduardo Zorita vom Forschungszentrum in Geesthacht dagegen schlägt eine vollprofessionalisierte internationale Klimaagentur vor, analog zur Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA). Für ihn besetzt die jetzige IPCC einen undefinierten Raum zwischen Wissenschaft und Politik. Man dürfe so etwas wichtiges wie wissenschaftliches Assessment nicht Advokaten überlassen, schreibt Zorita.
John Christy von der University of Alabama fordert ein „Wikipedia-IPCC“. Regierungen würden nur noch Autoren nominieren, die ihre Meinung vertreten. Diese ausgewählten Hauptautoren hätten das letzte Wort und würden divergierende Kommentare ignorieren oder marginalisieren. Von einem Wikipedia erhofft er sich mehr Offenheit, auch über divergierende Meinungen. (Christy anerkennt den menschengemachten Klimawandel, hält aber viele Szenarien für übertrieben oder zu unsicher, um bereits Policies daraus abzuleiten.)
Einzig Thomas Stocker von der Universität Bern sieht das IPCC grundsätzlich richtig positioniert; es müsse aber strikt bei seinen Prinzipien bleiben. Er glaubt auch nicht, dass es schnellere Reports als die etwa alle sechs Jahre publizierten geben muss.
Meiner Meinung nach hat Stocker recht. In Kopenhagen ist nicht die Wissenschaft gescheitert, ist nicht das IPCC gescheitert, sondern die Politik. Wenn nun das IPCC unter Druck kommt, ist dies nur Ausdruck seiner Bedeutung. Das IPCC hat eine derartige Glaubwürdigkeit und Deutungsmacht erlangt, dass kein Politiker, kein NGO daran vorbei kommt.
Was ist die Aufgabe des IPCC? Das IPCC betreibt keine Wissenschaft. Es schlägt auch keine Lösungsansätze vor – dies bleibt der Politik und den NGOs überlassen. Das IPCC dagegen betreibt ein Wissenschaftsassessment – es setzt die verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten miteinander in Verbindung und bewertet sie. Dazu gehört auch ein Marginalisieren (nicht ein Eliminieren) von Minderheitsmeinungen. Lässt man die divergierenden Meinungen einfach im Raum stehen, wie von Christy vorgeschlagen, braucht es kein IPCC.
Ich habe soeben das neue Buch vom altgedienten Klimaforscher Stephen H. Schneider von der Stanford University gelesen „Science as a Contact Sport: Inside the Battle to Save Earth’s Climate“. Er schildert aus persönlicher Perspektive die Kämpfe der Klimaforscher seit den 60er Jahren. Bezugnehmend auf einen Forscher aus Kenia, der fachlich wenig bewandert war, aber das IPCC als Schulung betrachtete und die Botschaft nach Hause trug, schrieb Schneider: „Die Kombination von Expertise und dem Bezeugen der Legitimität des Prozesses macht das IPCC so effektiv.“ Das IPCC braucht Wissenschafter als Botschafter aus aller Welt. Eine internationale Agentur kann das IPCC nicht ersetzen, allenfalls ergänzen.
Schneider sieht die Schwierigkeiten an einem ganz anderen Ort: 1. dem Bedürfnis unserer Gesellschaft (nicht nur der Medien) alles als bipolar zu betrachten – dies stärkt stets die Extrempositionen. 2. die Regel des (fairen) Journalismus, immer beide Positionen gleichberechtigt zu Wort kommen zu lassen, unabhängig von der Glaubwürdigkeit (etwa durch ein IPCC)– dies stärkt Minderheitspositionen. Mit solchem umzugehen ist für Schneider die grösste Herausforderung für heutige Demokratien.
Einen Lösungsansatz für diese kommunikativen Problemeschlägt Dan Kahan von der Yale Law School in einem Nature-Artikel vom 21. Januar 2010 vor. Über die Wahrnehmung von Umweltrisiken entscheide am stärksten die persönliche Einstellung – ob man eher individualistisch oder egalitär eingestellt sei. Dieser Faktor sei bestimmender als Geschlecht, Rasse, Einkommen, Ausbildung, politische Ideologie oder andere Faktoren, wie Forschungsarbeiten zeigen würden. Die Konsequenz: Dieser Filter ist so stark, dass wissenschaftliche Daten zu einer Polarisierung führen statt zum Konsens.
„Wenn wir wollen, dass demokratische Policies durch die besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten gestützt werden, brauchen wir eine Theorie der Risikokommunikation, welche die kulturellen Effekte auf unsere Entscheidungen voll berücksichtigt“, schreibt Kahan. Er schlägt zwei Ansätze vor: 1. Information soll so präsentiert werden, dass sie die Werte von Personen bestätigt statt gefährdet. 2. eine ganze Palette an Experten soll beteiligt sein.
Zusammengefasst heisst dies: das IPCC soll so viele und so vieles wie möglich miteinbeziehen und Politiker sollen Policies so vielfältig wie möglich ausgestalten. Es gibt nicht die Klimalösung – es braucht Mut zur Vielfalt.
Hmm, verstehe ich diesen Beitrag richtig? Das IPCC wurde des Schwindels bezichtigt und soll deshalb so bleiben wie es ist, weil das Problem nicht am IPCC sondern an unsere Gesellschaft liege die andere Meinungen als nur das IPCC zulasse? Err, das ergibt irgendwie wenig Sinn.
Hmmm zurück – du kannst dich sicher noch etwas präziser ausdrücken. Habe dich als Adrian II bezeichnet, um dich vom anderen Adrian zu unterscheiden.