„Ich halte Newsrooms für einen Hype“, sagt Holger Dambeck von Spiegel-Online. Und Peter Wippermann von der Universität Essen/Hamburg spottet: „Newsrooms werden von der Möbelindustrie vorangetrieben.“ Die könnten so viele neue Büros einrichten. Dabei bräuchten Netzwerke heute keine räumliche Nähe mehr. Etwas vorsichtiger gibt sich Jodok Kobelt, Journalist und Dozent am Medienausbildungszentrum: „Ich weiss nicht, ob der Newsroom der richtige Ansatz ist.“
Dabei halten viele Verlage weltweit den Newsroom für die Antwort auf die Krise der Medienbranche. Im Newsroom werden die Inhalte aus einer Hand in die verschiedenen medialen Ausdrucksformen verpackt – die so genannte Medienkonvergenz. Klaus Meier von der Hochschule Darmstadt schildert im Detail die verschiedensten Varianten bei der Welt, der Süddeutschen und neu beim Bieler Tagblatt. Beim österreichischen Standard koordiniert der Newsroom die völlig getrennten Print- und Onlineredaktionen nur. Die Frankfurter Rundschau ist vor zwei Monaten in ein neues Gebäude gezogen und integriert Online und Print voll – mit einer panoptischen Büroarchitektur: In der Mitte ein runder Tisch, an dem sich die leitenden Redakteure besprechen. Diese müssen sich nur drehen, um am ringförmigen Arbeitspult zu sitzen und ihre kegelförmig angeordneten Schreiberlinge im Blick zu haben. Wie das wohl funktioniert? „Der Newsroom ist meist ziemlich entvölkert; die Journalisten ziehen sich zum Schreiben in Einzelzimmer zurück“, berichtet Meier die Ergebnisse einer laufenden Studie – dies am Seminar „Der multimediale Journalist – Medienkonvergenz: Chance oder Schock?“ am 19. Mai in Zürich; organisiert vom Schweizer Klub für Wissenschaftsjournalismus und dem Schweizerischen Nationalfonds.
Auch künftige 40-Jährige lesen kaum Zeitung
Diese Konzepte sind darauf ausgerichtet, möglichst effizient alle Kanäle zu bedienen. „Automation und Rationalisierung werden nicht reichen, es braucht Innovation“, stellt Wippermann klar. Er skizziert anhand vom Lesegerät Kindle, von Google Lattitude, Current.tv, Politico, Huffington-Post, Nikeid, Pixazza, stylight, scribd und anderen den tiefgreifenden Wandel: „Das Ende von Zielgruppen und Reichweite“, „Print wird individuell“, „Internet ist das Leitmedium der bis 30-Jährigen“. Wippermann hält networking gar für die neue Jugendbewegung: Bis in die 90er hätten Musikrichtungen die Jugendkultur geprägt, 1997 war es filesharing und seit 2007 sind es communities.
Laut Meier glaubten viele Verlagsmanager noch, dass die heutigen Teenager als reife 40-Jährige wieder zu Zeitungen greifen würden: „Unsere Studien zeigen, dass wer als Jugendlicher keine Zeitung liest, dies auch mit 40 nicht macht.“
Keine Krise für Journalisten?
Was aber bedeutet die Medienkonvergenz für Journalisten? Sowohl Wippermann wie Meier betonen, die Trends seien ein Problem für Verlagsmanager, aber nicht eigentlich eines für Journalisten. Meier befragte beim dänischen Vorreiter in Sachen Medienkonvergenz „Nordjyske Medier“ 39 Redakteure. Eine Mehrheit glaubt, dass die journalistische Qualität gestiegen ist und sie sind zufriedener mit ihrer Arbeit. Dies, obwohl 35 der 39 Redakteure sagten, der Stress habe zugenommen.
Dambeck betont das Spielerische an Online. Sie versehen ihre Artikel mit Umfragen, Abstimmungen und haben schon „Möbiusband-Bastellbögeln“ (50.000 downloads!) online gestellt. Wichtig sei die Verkaufe, sagt Dambeck. Man müsse online mehr trommeln. Hiess ein Artikel zu altertümlichen Hinrichtungen im Spiegelheft „Verwesung im Trog“, stand online „Horror-Hinrichtungen aus dem Orient“.
Von Print zu online: kein Copy&Paste
Sämtliche Referenten betonen, dass Print und Online andere Leser mit je eigenen Bedürfnissen bedienen. Laut Meier hat die Süddeutsche 2,5 Millionen online Leser und 1,3 Millionen Print-Abonnenten und dabei nur 10% Überschneidung. Für Kobelt ist es deshalb unsinnig, für Print geschriebene Texte einfach online zu stellen, was leider immer noch oft passiere. „Ich bilde heute Journalisten in Cross-Media aus, obwohl es dafür noch kein Umfeld gibt“, sagt Kobelt. So werde auch der Feedbackkanal meist nicht ernst genommen. Dabei wäre es wichtig, als Journalist dieses Wissen zu nutzen und den Beitrag wachsen zu lassen.
Wenn nicht der Newsroom: Was wäre die richtige Antwort der Verlage? Wie müssten sie das Umfeld für Journalisten gestalten? Wie lässt sich Qualitätsjournalismus so noch finanzieren? Die Antworten konnte am Seminar niemand geben. Klar ist nur, dass es noch viele Experimente brauchen wird. Wippermann: „Würde die New York Times allen Abonnenten einen Kindle schenken und die gedruckte Zeitung einstellen, hätte sie die Investitionen in einem halben Jahr wieder reingeholt.“