Jetzt die Journalistinnen: Maja Brändli findet oft tatsächlich eine „geschlossene“ Gesellschaft vor, wo man sich gern ziere. Der Vorwurf, Journalismus vereinfache und verdumme, wird oft gemacht, ist aber ungerechtfertigt. Andreas Fischer will sich mit seiner „geschlossenen Gesellschaft“ nicht missverstanden wissen. Es sei einfach nicht erste Aufgabe der Wissenschafter/innen, mit der Oeffentlichkeit zu kommunizieren. Fischer meint aber, ein angefragter Forscher/Professor müsse auf eine Anfrage auch eintreten. Allerdings könne es auch sein, dass der/die Angerufene sich nicht befugt fühlt. Beispiel Literatur-Nobelpreis. Zeitmangel als Vorwand, die Kommunikation zu verweigern, lässt Fischer nicht gelten.
Live-Blogging an Tagung „Wissenschaftskommunikation – Chancen und Grenzen“ der akademien-schweiz

Ich finde, es gehört zu den spannendsten Aufgaben, Wissenschaft zu vereinfachen, ohne sie zu verdummen oder zu verfälschen. Dringend gefragt: neue Kommunikationsformen. Das Internet bietet neue Möglichkeiten, die wir nutzen sollten. Aber man könnte sicher auch neue Formen des Schreibens auf Papier finden…
Ich würde gerne mal mit ein paar Leuten zusammen sitzen und eine Art Brainstorming machen zum Thema „Neue Formen der Wissenschaftskommunikation“.
Ich glaube auch, dass es sehr anspruchsvoll, aber eben (falls es gelingt) auch sehr befriedigend ist, etwas komplexere Dinge verständlich zu machen und über sie in einer einfacheren Sprache und in dem Alltag nahen Bildern zu berichten. Was allerdings immer das Risiko der Verfälschung mit sich bringt. Weil die Differenzierung in Wenn und Abers leidet, die für jemanden aus dem Fach schon per se aus eigenen Kenntnissen selbstverständlich ist, dem Laien aber nicht. Darüber müsste eigentlich regelmässig auch in Wissenschaftskreisen (also bei den potenziellen Sendern) diskutiert werden, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wo denn die Tücken liegen und wie viel (oder wie wenig) Schaden Vereinfachung bringt.
Die verschlungenen Wege der Rezeption von Nachrichten und Botschaften aus der Scientific Community auszukundschaften wäre eine edle Aufgabe. Eigentlich müsste ja auch der Schweizerische Nationalfonds (oder der Bundesrat) sehr rasch ein nationales Forschungsprogramm lancieren, das der Frage nachgeht, wie sich das äusserst heterogene, aber ja angeblich hoch interessierte (Laien-)Publikum über Forschung und Wissenschaft informiert, warum es an möglicherweise als „falsch“ beurteilten Meinungen und Einschätrzungen festhält und wie sich der Souverän (die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger) denn überhaupt eine einigermassen solide Meinung bilden sollen und können.
Es ist doch eigenartig, dass wir zum Thema „scientific literacy“ der Schweizer Bevölkerung nur Daten vom Eurobarometer haben, und nicht mehr darüber wissen, wie in der doch einzigartigen, weil sehr direkten Demokratie der „Wissensnation“ Schweiz der/die einzelne Bürger/in sich eine Meinung bilden kann.
Mehr Public relations für die Forschung? Gut. Aber mehr über das unbekannte Wesen „Oeffentlichkeit“ und sein Verhalten in diesen Dingen zu erfahren und die Lücken auszuforschen, wäre vielleicht auf mittlere Frist zielführender.
Nachdenken über neue Formen der Vermittlung ist oder wäre wirklich lohnend. Eine Tagung mit Frontalvorträgen und moderierten Panels hatten wir jetzt. Vielleicht gäbe es da interessante Fortsetzungen auf andern Kanälen.
Fachleute, die mit MigrantInnen arbeiten, entwickeln zurzeit den so genannten transkulturellen Ansatz weiter; dabei werden nicht kulturelle Unterschiede betont und Leute anderer kultureller Prägung als separate Zielgruppe angesprochen, sondern es wird versucht, kulturelle Unterschiede zwar wahrzunehmen, aber darüber hinaus zu gehen und mit den Gemeinsamkeiten zu arbeiten. Dieses Vorgehen sollte nicht nur mit MigrantInnen funktionieren, sondern generell mit Zielgruppen, die einen anderen Bildungs- oder Wissenshintergrund haben. Davon könnte man ausgehen, wenn man eine Wissenschaftskommunikation erarbeiten will, die auch „schwer erreichbare“ Leute erreicht.
Wenn Herr Fischer meint, es sei „nicht erste Aufgabe der Wissenschafter/innen, mit der Oeffentlichkeit zu kommunizieren“, dann müsste man solchen Wissenschafter/innen einmal grundsätzlich vermitteln, in wessen Auftrag und Interesse sie eigentlich wirken – der besagten Oeffentlichkeit oder Steuerzahler.
„Vereinfachen“ ist gewiss nicht gleich „Verdummen“, denn Reduktion komplexer Details oder Zusammenhänge ist im Wissenstransfer schlicht notwendig. Dass dies möglich ist, wurde bei der Tagung am Beispiel der „Sendung mit der Maus“ auch erwähnt (wo selbst Themen wie Kernspaltung u. a. kind- und sachgerecht vermittelt werden). Ein anderes Beispiel: ich erlebe, lese und bewundere seit Jahren, wie anglophone und renommierte Wissenschaftler Bücher publizieren, die selbst für nicht themenversierte oder -spezialisierte LeserInnen spannend und verständlich geschrieben sind. Wie ich von amerikanischen Wissenschaftlern erfuhr, wird diese Fertigkeit dort als Tugend und „Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit“ verstanden und gepflegt. An solchen Traditionen und „best practises“ könnte man im germanophonen Raum durchaus anknüpfen … Ich verstehe aber auch Kurt Imhof, wenn er sich plumpen Missbräuchen und platten Instrumentalisierungen durch gewisse Medienvertreter verweigert. Ein Minimalanspruch oder Beitrag zur „Aufklärung“ sollte dabei zumindest erkenntlich sein.
An dieser sehr interessanten und gut organisierten Tagung (herzlichen Dank SAGW) hat sich für mich der tiefe Graben zwischen Wissenschaft und Journalismus bestätigt. Das erlebte ich auch in den letzten beiden Jahren als einzige Journalistin in einer Non-Profit-Organisation. Mittlerweile habe ich frustriert gekündigt. Es ging vor allem darum, die Forschungen des hauseigenen wissenschaftlichen Instituts zu kommunizieren. Doch auch nach zwei Jahren enger Zusammenarbeit mit den Geistes- und Sozialwissenschaftlern, zig zusammen verbrachten Kaffeepausen, vielen Diskussionen und viel viel Wertschätzung meinerseits für ihre Arbeit haben es die Wissenschaftler nicht geschafft, ihre Vorurteile gegenüber jeglichem Versuch, ihre Arbeit etwas allgemeinverständlicher und attraktiver darzustellen, abzubauen. Für sie gibt es nur Wissenschaft und Boulevard und nichts dazwischen. Die ständig bedroht gesehene Differenziertheit und das Vertrauen in ihr eigenes Urteilsvermögen scheint sie bei diesem Thema völlig zu verlassen. Journalistisches Know-How wird nicht anerkannt, man ist der Meinung, die eigenen Texte seien allgemeinverständlich genug.
Deshalb möchte ich Wolf Ludwigs Hinweis auf die angelsächsische Wissenschaftstradition – die auch entsprechende Bemühungen der Forschenden nach sich zieht – sehr unterstützen. Nichts geringeres als ein Mentalitätswandel steht an. Ob dazu ein paar Kurse in journalistischem Schreiben für den wissenschaftlichen Nachwuchs ausreichen?