„Mehr Berichte über Geistes- und Sozialwissenschaften“, fordert Stephan Russ-Mohl von der Università della Svizzera italiana. Da die „Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften“ zur Tagung eingeladen haben, verdient die Forderung einige Gedanken.
Laut Russ-Mohl sind Geistes- und Sozialwissenschafter zwar gut in den Redaktionen vertreten bzw. Naturwissenschafter und Mediziner sind rare Pflänzchen in der Medienwelt. Experten hätten die Medien also genug. Schon die Kommunikationsabteilungen geben den „harten“ Wissenschaften den Vorzug (siehe Bild unten). Dies ist wohl eher eine Anpassung an die Nachfrage als eine Bevorzugung.
Was also hindert die Geistes- und Sozialwissenschafter? Die behandelten Fragen sind ja fraglos spannend. Ich wage einige Tipps und Thesen – frei zur Diskussion!
- Fast alle Artikel über Forschung enden mit der Umsetzung. Oft macht (leider) erst die potenzielle Umsetzung eine Arbeit interessant. Dies fehlt bei Geistes- und Sozialwissenschaften in der Regel. Geistes- und Sozialwissenschafter sollten mehr als „Berater“ der Gesellschaft auftreten.
- Den Geistes- und Sozialwissenschaften fehlt der Mythos der Wahrheit. Alles scheint vorläufig. Dies lässt sich nicht ändern. Die Geistes- und Sozialwissenschafter könnten jedoch aus ihrer Debattierfreudigkeit Profit schlagen – durch eine öffentliche Streitkultur! Es gibt nichts Attraktiveres für Medien als einen heftigen Streit.
- Die Geistes- und Sozialwissenschaften suchen die Komplexität und nicht die Reduktion. Mehr investieren in Visualisierungen oder in die Ausarbeitung von guten Beispielen! Da sind die Naturwissenschaften viel weiter.
- Die Verblüffung, das Staunen – da sind die Astronomie, die Teilchenphysik, die Genetik unschlagbar. Ihre Forschung geht über alles sinnlich Fassbare hinaus.
- Es fehlen Journals mit aktiver Medienarbeit. Ein Buch, das Jahre nach Abschluss der Forschungsarbeiten publiziert wird, ist schwierig.
- Ein CERN ist wichtig, weil es gross ist. In den Geistes- und Sozialwissenschaften möchte jeder möglichst für sich forschen. Die Journalisten müssen selbst herausfinden, wer wichtig ist. Bildet Zentren, entwickelt „sichtbare“ Zusammenarbeiten!
- Eine gerade von Beat Glogger erwähnte Ergänzung: Mehr Verständnis für die Regeln der Medien, mehr Offenheit für die nötige Kontextualisierung von Forschung. Laut Glogger sind Naturwissenschaftler da offener.
Live-Blogging an Tagung „Wissenschaftskommunikation – Chancen und Grenzen“ der akademien-schweiz