Der Wissenschaftsjournalismus hat angesichts der Krise in der Presselandschaft eine neue Publikationsnische gefunden: den Stellenanzeiger. In der NZZexecutive-Beilage am Wochenende reihen sich die Inserate für Topjobs, zu lesen sind aber auch redaktionelle Beiträge über Wissenschaft und Technik. Eine interessante Entwicklung, die den Umbruch im Journalismus dokumentiert. Erfolgversprechend bei dieser Neuausrichtung sind innovative Geschäftsideen und neuartige Allianzen (mit der Privatwirtschaft, öffentlichen Institutionen, Stiftungen und Organisationen) sowie eben die Erschliessung neuer Publikationsnischen (siehe auch Diskussion unter Mediensplitter Nr. 5).
Das Themenspektrum in der NZZexecutive-Beilage ist breit. Es reicht von Errungenschaften der Technik (z.B. Rimowa-Rillenkoffer) über historische Erfindungen (z.B. Spirella-Duschstange) bis hin zur technischen Berufswelt (z.B. Steinmetze). Ebenso bunt ist die Schar der Journalistinnen und Journalisten, die sich in diesem Gefäss tummelt. Urgesteine wie Ex-NZZ-Wissenschaftsredaktor Lucien F. Trueb, arrivierte Magazin-Autoren wie Matthias Meili und weitere Schreibende aus diversen Ressorts und von unterschiedlicher Qualität verdienen hier ihr Zusatzbrötchen (bezahlt gemäss NZZ mit üblichen Journalistenhonoraren).
Angesagt ist häufig Service-Journalismus, manchmal etwas geschichtslose Lexikon-Schreibe, welche die aktuelle Forschung nur wenig einbezieht. So verliert ein Bericht (15./16.11.08) über 50 Jahre Röntgenstrahlung zur Strukturaufklärung kein Wort über die Synchrotron Lichtquelle Schweiz (SLS) am PSI, die heute zu den weltbesten Anlagen für gebündelte Röntgenstrahlung gehört. Das nur nebenbei, sonst sind die Berichte allgemein informativ und geben Wissenschaft und Technik ein Podium, das in andern Medien weiter verkleinert oder gar abgeschafft wird. Und dazu noch für ein Lesepublikum, das sich für den Themenkreis interessiert.
… und schon wieder ein Feindbild mehr. Die Rubrik gibt es zwar schon lange, aber sie scheint jetzt wunderbar ins Schema zu passen: Der Wissenschaftsjournalismus steckt in der Krise, Wissenschaftsjournis dürfen nur noch im Stellenanzeiger publizieren, der letzten Station vor dem Stelleninserat.