In einem früheren Beitrag habe ich über den Finanzierungsbias wissenschaftlicher Studien geschrieben, und damit über die Frage, wie unabhängig Wissenschaft bewusst oder unbewusst agieren kann. Die Frage der Abhängigkeit und des Bias stellt sich aber nicht nur bei der Wissenschaft, sondern genauso für die Medien.
Dazu ein Beispiel: Kann es angehen, dass ein Journalist, der ein kontroverses Umweltthema für eine Zeitung betreut, gleichzeitig als Gutachter für eine der Konfliktparteien arbeitet? Sollte eigentlich nicht sein, kommt aber in den besten Medien vor. Kann es sein, dass dieser Journalist/Gutachter seine beiden Rollen säuberlich trennt, hier fair und ausgewogen berichtet, und dort in einer bezahlten, bestellten Gutachten den Interessen der Partei entspricht? Ich wage es nicht zu glauben. Kann es sein, dass der Redaktor, der die Artikel des Journalisten ins Blatt setzt, von dessen Doppelrolle nichts wusste? Schon möglich, sollte aber nicht sein. (Dieses Beispiel ist keineswegs fiktiv, sondern entspricht einem konkreten Fall: ein krasser Verstoss gegen die Richtlinien des Presserats. Oder kann es sein, dass sich die Journalisten in diesem Fall gar nicht um den Presserat scheren?)
Tatsache ist: auch in den Medien können Interessenkonflikte allgegenwärtig sein. Das Problem liesse sich einfach lösen. Kein Redaktor kein freier Journalist darf neben seiner Tätigkeit fürs Medium eine andere Tätigkeit ausüben, die – bezahlt oder nicht – mit den Themen der journalistischen Arbeit in irgendeinem Zusammenhang steht. Wenn ich über die Subventionierung von Krippenplätzen schreibe, dürfte ich mich nicht im Quartierverein engagieren, der sich für eine staatlich subventionierte Krippe in meiner Umgebung einsetzt.
Dass ein freier Journalist als reiner, freier Journalist – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht überleben kann, ist angesichts der Honorare für Freie ein offenes Geheimnis. Dass er neben seiner journalistischen Tätigkeit noch anderen bezahlten Tätigkeiten nachgeht, ist ein ökonomische Notwendigkeit. Dass er dabei auch anderen Ansprüchen genügen muss als nur den journalistischen, ist ein Faktum. Dass ein freier Journalist aber neben dem Schreiben von Artikeln auch andere Formen der Publikation betreuen darf, ist nebenbei gesagt auch ein Privileg.
Man kann es drehen und wenden, wie man will. Auch im journalistischen Alltag gibt es Interessenkonflikte. Das ist halb so schlimm und menschlich. Und es gibt eine Lösung: In der Wissenschaft und im Parlament versucht man das Problem möglicher Interessenkonflikte mit Transparenz zu begegnen. Die Autoren von wissenschaftlichen Artikeln (z. B. von Medikamentenstudien) müssen eine Conflict of Interest Erklärung abgeben. Darin tun die Forschenden etwa kund, von wem eine Medikamentenstudie bezahlt wurde und ob sie je von einem der Hersteller der Medikamente finanziell unterstützt wurden. Das selbe sollte eigentlich auch für Journalistinnen und Journalisten selbstverständlich sein: Transparenz.
Dazu braucht es nur drei Regeln:
Zunächst gilt die Vermutung, dass kein Konflikt besteht. Jedenfalls würde das journalistische Ethos dies verlangen.
Zweitens sollten Journalistinnen und Journalisten möglichen Interessenkonflikten aus dem Weg gehen: Entweder journalistisch tätig sein, oder Interessen vertreten – aber nicht beides vermischen.
Drittens, wenn die Interessenkonflikte unvermeidlich sind, diese sauber und transparent deklarieren. Es muss ja nicht eine Website sein, auf der man seine Mitgliedschaften kundtut. Ein kleiner Hinweis am Ende eines Artikels würde bereits genügen.
Ich habe gerade leider nicht viel Zeit, – Vorerst nur so viel:
Spannendes Thema! Genau dazu schreibe ich zur Zeit meine Diplomarbeit: http://www.fensterplatz-online.de/category/transparenz
Allerdings ist die Arbeit im Netz noch nicht so weit weit, wie sie auf Papier bereits existiert. Aber ich sitze dran :>
Es ist zwar etwas schwierig, den hier geschilderten Fall anhand der gebotenen Daten genauer zu beurteilen, aber es tönt schon so, als ob da ein Verstoss gegen die Regeln vorliegt. Die Leserinnen und Leser haben ein Anrecht darauf zu wissen, dass da ein Problem vorliegen könnte (könnte!). Allerdings: Die Redaktionen werden, gebeutelt durch Spardruck, immer weniger in der Lage sein, eigene Leute zu halten oder zu ermutigen, sich in einem speziellen Dossier wirklich kundig zu machen und kundig zu halten. Denn da musst Du in der Lage sein, Dinge zu lesen und an Veranstaltungen teilzunehmen, die nicht gleich in einem Beitrag gipfeln. Also unproduktiv zu sein. Das wird zunehmend schwieriger.
Erst recht wird, wenn das Thema speziell ist, ein kundiger freier Journalist/Journalistin sich nicht über Wasser halten können, wenn er nicht andere Arbeitsmöglichkeiten ins Auge fasst. Das könnte dann zu diesen Konflikten führen.
Das Problem ist ja nicht neu. Im Lokaljournalismus zum Beispiel. Frei von Konflikten hält sich der oder die, die niemanden kennen, am besten von aussen kommen, alles von Null auf anpacken müssen. Die haben kaum Interessenkonflikte, schonen keine Freunde/innen etc.
Das Resultat ist oft unbefriedigend. Die Lesenden/Hörenden sind eigentlich besser bedient, wenn die journalistisch Arbeitenden sich auskennen. Das heisst dann halt, dass sie über das, was sie – zum Beispiel aus der Arbeit in einem Quartiervereinsvorstand – sehr gut kennen, nicht selbst schreiben sollten. Mit der Konsequenz, dass Du dann eben erheblich leidest, wenn sich – thematisch gesehen – ein Greenhorn an die Geschichte macht und die Sache nicht packt.
Vielleicht müssten Medien halt informative Biographien ihrer Mitarbeitenden öffentlich machen, mit Angaben zu einem vorgegebenen Raster, die es erlauben, sich ein Bild von den Autorinnen/en zu zeichnen. Da könnte dann auch stehen, dass ich im Quartierverein und Mister X. für eine Konfliktpartei tätig sind.
…und good luck, Curlysa!
@martin: Danke für die Differenzierungen. Du hast wie immer recht. Ich denke, die fehlende Transparenz mangelt vor allem dort, wo es kontrovers zu und her geht. Informative Biografien würden auch helfen. Aber wie weit sollen die gehen? Darf ein Wirtschaftsredaktor, der Roche-Aktien besitzt, über die Bilanzmedienkonferenz von Roche berichten, oder müsste er dies in seiner Biografie erwähnen?
Mathis hat da einen speziellen Fall hervorgekramt, der sicher zu verurteilen ist aber nur höchst selten vorkommt. Dass ein Journi im Auftrag von Interessengruppen Gutachten erstellt und über das Thema dann auch noch als unabhängiger Autor auftritt, geht nicht (und wurde auch korrigiert). Aber ich bleib dabei, Problem im Medienbetrieb sind weniger die nicht ganz offengelegten Verbindungen als die zunehmende Vereinnahmung der Nachrichtenströme durch Interessengruppen aller Art.
@stefan: Du hast recht. Daher bin ich der Meinung, dass die Verantwortung der Redaktionen eher zugenommen hat, wie ich früher schon argumentiert habe. Dies schliesst aber auch nicht aus, dass für Journalisten und Journalistinnen die selben ethischen Masstäbe gelten, die sie bei Wissenschaftern, Politikern etc. stets einfordern.
Für mich hat das weniger mit Transparenz und viel mehr mit Qualität zu tun. Seit einiger Zeit schaue ich mir mit viel Spass das «Heute Journal» im ZDF an. Dort finde ich, was ich unter kritischem Journalismus verstehe. Dort wird nachgefragt. Fast jeder in diesem Redaktorenteam kann die Sache auf den Punkt bringen, bringt es fertig, Zusammenhänge darzustellen, Hintergründe zu erleuchten usw. Bei uns in der Medienlandschaft finde ich das praktisch nirgends. Wir in der Schweiz sind mehrheitlich viel zu schnell zufrieden mit dem Reproduzieren von Infos – kein Biss, keine Klarheit, nur freundliches Abnicken. Das dazu noch Intransparenz bei den Journalisten kommt ist ein zusätzlicher Mangel, aber zuerst müssten die Journis – gerade in der gegenwärtigen Krise – mal wieder ihre Rolle als vierte Macht im Staat ernst nehmen und tun, wofür sie angeheuert sind: die Welt erklären.