Kürzlich hat swissinfo einen Artikel publiziert, in dem die Schweizer Kinderkrebs-Studie CANUPIS kritisch unter die Lupe genommen wurde. Dabei implizierte die Journalistin relativ unverhohlen, dass die aufwändige Studie wohl nichts atomkritisches zu Tage fördern werde, weil die Finanzierung der Studie zu einem Teil durch Stromproduzenten sichergestellt wurde. Der Artikel erhielt denn auch den Titel «Wer eine Studie finanziert, nimmt immer Einfluss». Aber ist dem tatsächlich so?
Meines Wissens gibt es keine Studie, die diese Behauptung in seiner Absolutheit stützt. Zweifellos ist es so, dass ein Forschungsfinanzierer mit politischen oder wirtschaftlichen Interessen (Industrie, NGO, Behörden) versucht ist, Einfluss auf das Studiendesign und den Publikationsprozess zu nehmen. Wo ein Finanzierer Zugriff auf Design und Publikation hat, neigen die Studienergebnisse dazu, die Interessen des Finanzierers zu unterstützen. Allerdings: Wo ein solcher Zugriff fehlt, zeigt sich ein solcher „Bias“ nicht. Verwiesen sei beispielsweise auf Studien zum Industriebias bei der Erforschung von negativen Einflüssen von Mobilfunk oder zu den Nebenwirkungen von Vioxx.
Demnach ist nicht entscheidend, wer das Geld gibt, sondern wie unabhängig die Forschung bleibt. Wurde das Industriegeld von einer unabhängigen Forschungsstiftung verwaltet oder wurden die klinischen Resultate bei Industriefinanzierung durch ein unabhängiges Reviewpanel überprüft, waren keine sonderlich industriefreundlichen Resultate zu erkennen. Leider ist dieser Umstand zu wenig bekannt. Er verweist darauf, dass Finanzierer und Forscher durchaus gemeinsame Interessen – nämlich gute Forschung – haben können, ohne dass deswegen der eine den anderen korrumpiert.
Oder anders ausgedrückt: Jemandes Brot essen, heisst noch nicht nach dessen Pfeife zu tanzen. Dies suggerieren Medienschaffende aber allzu oft und unterstellen den Forschenden, leicht korrumpierbar zu sein. Dies ist umso mehr der Fall als die Finanzen aus Industriequellen stammen. Ist eine Studie aber von NGOs bestellt und finanziert, kümmert den Korruptionsverdacht plötzlich nicht mehr.
Also nochmals: Es braucht einen Puffer zwischen Finanzierung und Forschung, zwischen Besteller und Lieferant der Forschung. Bei den Nationalen Forschungsprogrammen stellt der Nationalfonds diesen Puffer dar. Wichtig ist in jedem Fall aber Transparenz. Denn ohne diese hat die Forschung ihr Vertrauen schnell verspielt.
Eine Bemerkung zur direkten Durchschlagskraft der Finanzierung sei noch erlaubt: Wenn in jedem Fall die Finanzierung die Inhalte bestimmen würde, dann wäre die so genannte Freiheit der Medien eine blosse Illusion und es gäbe ausschliesslich Konzernjournalismus und Staatsberichterstattung. Dann würde der Fingerzeig mit dem Industriebias wohl auch die Medien selbst treffen.
Also, Mathis, da ich dir den Ball zugespielt habe, will ich antworten. Natürlich hast du recht: Niemand kann beweisen, dass die Aussage «Wer eine Studie finanziert, nimmt immer Einfluss» stimmt. «Immer» und «nie» gibt es nicht. Aber es gibt doch zahlreiche Studien zum Bias in Einzelfällen. Mein liebstes Buch dazu ist immer noch Sheldon Krimsky, Science in the Private Interest (2002). Auch die Ex-Chefin des NEJM, Marcia Angell, nennt viele lustige Beispiele (zB. in The Truth about the Drug Industry). Oder Peter Kleist, Ex-Novartis, Ex-Swissmedic und heute, glaube ich, Berater, im Tagi vom 12. April 2005 («Wie gute Studien noch besser werden»). Weitere Stimmen aus der Schweiz zum Thema habe ich hier mal zusammengetragen (mit vielen Quellenangaben und Links zum selber weiterrecherchieren): http://www.mhaenggi.ch/03_Wissenschaftspolitik/artikel_wissenschaftspolitik_McScience.html
Eine grundsätzliche Überlegung: In der medizinischen Forschung ist «doppel-blind» Goldstandard. Man geht also davon aus, dass das Wissen des Arztes, ob er der Testperson Verum oder Placebo gibt, einen Einfluss auf das Testresultat haben kann. Wenn das keine völlig übertriebene Vorsichtsmaßnahme ist (und Placebostudien zeigen, dass solche Einflüsse existieren), dann ist es vernünftig anzunehmen, dass auch das Wissen um den Geldgeber und seine Erwartungen einen Einfluss haben kann.
Entscheidend, schreibst du, sei Transparenz. Richtig, aber Transparenz allein genügt nicht (dazu Hanspeter Kuhn vom FMH-Rechtsdienst: http://www.saez.ch/pdf/2002/2002-25/2002-25-511.PDF). Um die Transparenz steht’s oft schlecht. Die ETH verlangt die Offenlegung von ihren Mitarbeitern, aber sie macht das nicht publik. Wär mal interessant zu sehen, ob sie die Angaben unter dem neuen Öffentlichkeitsgesetz herausrücken müsste. Da lob ich mir Leute wie Beda Stadler, der seine Interessenverbindungen im Internet offen legt.
Klar: «Industriefinanziert, folglich unbedingt industriefreundlich» ist zu einfach. Aber nach Geldgebern fragen sollte man immer. Dann stellt man auch fest, wie unglaublich unbedarft mit dem Thema oft umgegangen wird. Wenn das zentrale Projekt des NFP59, bei dem es um Biosicherheit geht, von Willem Gruissem betreut wird, der in den Boards von Syngenta, Monsanto etc. sitzt (und das sauber auf seiner Website deklariert: http://www.pb.ethz.ch/people/wgruisse/index ), so ist das erst einmal problematisch. Wenn ich aber den Präsidenten der Leitungsgruppe des NFP, Dobbaelare, frage, wie die Leitungsgruppe mit möglichen Interessenkonflikten der Bewerber umgegangen sei, und er lange nach einer Antwort suchen muss, weil man sich darüber (in einem politisch so heiklen Feld!) offenbar keine Gedanken gemacht hat (www.woz.ch/artikel/inhalt/2006/nr47/Schweiz/14137.html ), dann bin ich als Journalist wirklich lieber einmal zu skeptisch als zu gutgläubig.
Es emofiehlt sich sicher, skeptisch zu sein und die meist als Fortschritt für den Patienten (und immer auch die Patientin) gepriesenen Studienergebnisse mit Vorsicht anzupacken. Schaut man genau hin, ist oft der Fort-Schritt nur ein kleiner, aber das kann für eine Zulassung schon genügen. Das Problem mit den vielen Expert(inn)en ist, dass Leute, die wirklich in einem Gebiet wie Bluthochdruck, Krebs oder Multiple Sklerose mit guten Gründen fachlich etabliert und gut vernetzt sind, immer auch von den Firmen als Consultants gefragt sind und oft entweder zumindest Speakers fees oder feste Entschädigungen erhalten. Das muss noch nicht unbedingt heissen, dass diese Damen und Herren deswegen nur ihres Meisters Lob singen. Möglicherweise verhindern sie schon im vorneherein, dass unergiebige und etwa für die Teilnehmenden klinischer Versuche schädliche Trials gar nicht stattfinden. Aber was ist die Alternative?
Wer nicht viel von der Sache versteht, wird schon deswegen „unabhängig“ bleiben, weil niemand auf die Idee kommt, ihm oder ihr überhaupt irgendwelche bezahlte Aufgaben anzudienen. Ein Panel aus Ignoti kann ja auch nicht der Weisheit letzter Scluss sein, obwohl das eine zumindest scheinbar urdemokratische Form ist.
Immerhin sind heute die Affiliationen öffentlich(er). Manche Journals verlangen und publizieren die Statements über finanzielle Interessen und erhaltene Zahlungen. Das kann dann ja immerhin nachgeprüft werden. Vor jedem Bias schützt das nicht, aber das Fragezeichen hängt da immer drüber. Irgendwie am liebsten sind mir dann jene Expert(inn)en, die mehreren, unter sich konkurrierenden Herren/Damen dienen. Aber wirklich glücklich kann man halt auch damit nicht werden. Neu im Gegensatz zu früher gibt es wenigstens die Blogs, die gern früh Laut geben, wenn eine Sache stinkt.