Über 500 Personen, darunter auffallend viele Studierende, wollten sich vergangenen Donnerstag in der Aula der Universität Basel über Gründe und Hintergründe der Finanzkrise informieren lassen. Acht Professoren des Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrums orientierten und diskutierten (dass der Moderator, selber auch Professor, seine acht Kollegen als «Kolleginnen und Kollegen» begrüsste, war entweder ein institutsinterner Witz oder, tja, was?).
Nachdem Prof. Peter Kugler gezeigt hatte, dass Finanzkrisen seit dem römischen Reich immer wieder auftreten (ohne dass aber nachhaltiges Lernen damit verbunden gewesen wäre), führte Prof. Aleksander Berentsen die Zuhörenden zu den Ursprüngen der gegenwärtigen Krise, welche er in der Bewältigung der Grossen Depression in den USA vor rund 80 Jahren verortete. Damals mussten viele Besitzer von Eigenheimen ihre Häuser aufgeben und verlassen, was zu einer veritablen sozialen Krise mit vielen Obdachlosen führte. Eine weitere solche Krise wollte die Regierung der USA verhindern, was 1938 zur Gründung der kürzlich verstaatlichten Fannie Mae führte. Diese übernahm von den Banken Hypothekarkredite (die sie dann verbriefte und in den Handel brachte). Allerdings betraf dies nur die guten Anlagen, sogenannte Prime Hypotheken, bei denen die Schuldner eine hohe Kreditwürdigkeit hatten. Dieses System funktionierte gut, bis dann die Banken begannen, auch sogenannte sub prime Hypotheken zu erteilen (von denen Schuldner mit nicht so guter Bonität profitierten), diese aber nicht Fannie Mae (und später dann Freddie Mac) übergeben konnten, da diese eben nur die guten nahmen, und zu handelbaren Wertschriften machten. Dazu kam in den letzten Jahren, dass Banken und Funds grosse Geschäfte stemmten, welche in keinem schlauen Verhältnis zu ihrem Eigenkapital standen (Lehmann Brothers oder Bear Stearns hatten Verbindlichkeiten in ihren Büchern, welche bis zu 40 Mal höher waren als ihr Eigenkapital). Das war bei steigenden Liegenschaftspreisen ein rentables Geschäft, denn so konnte mit wenig – teurem –Eigenkapital ein grosser Hebel angesetzt werden und wunderbar Geld verdient werden.
Da aber in keinem Markt die Preise immer nur steigen, kam es zu Schwierigkeiten und die involvierten Banken hatten grosse Liquiditätsprobleme. Keiner aber traute seinem Peer mehr und der Geldverkehr zwischen den Banken kam faktisch zum Erliegen, was gewisse Institute in den Bankrott oder die Arme des Staates trieb. Ausserdem mussten gewisse Banken neues Eigenkapital beschaffen. Die ganze Situation wurde auch dadurch nicht einfacher, dass für viele der im Zentrum stehenden Wertschriften erst in den letzten drei bis vier Jahr ganz neue Märkte geschaffen wurden, wie Prof. Heinz Zimmermann ausführte. Diese Märkte waren erstens schlecht erfasst und zweitens keine echten Märkte, denn ver- und gekauft wurde in der Regel von wenigen Akteuren aufgrund von Absprachen und nicht aufgrund von öffentlichem Aushandeln von Preisen und Mengen (wie z.B. an einer Börse). Die Rolle der Rating-Agenturen illustrierte Prof. Yvan Lengwiler, der schilderte, wie diese einerseits die Wertschriftenpakete der Banken (in denen eben beispielsweise die sub prime-Hypotheken lagen) bewerteten und damit deren Risiko für die Anleger erkennbar machten sollten. Andererseits aber waren gewisse dieser Agenturen als Berater für die Banken bei der Schnürung der Pakete tätig. Zudem kam die Sprache auch auf die Anreizsysteme, welche in den Finanzinstitutionen dazu führten, dass Risikoabschätzungsverfahren nicht funktionierten oder in Abschwungphasen keine oder falsche Anreize gesetzt werden.
Die Frage des Moderators, ob die Wirtschaftswissenschaften auch selbstkritisch sein müssten und allenfalls etwas verpasst hätten, war zwar gut, aber keine Diskussion wert, da die Zeit fehlte.
Ja, der Dieb. Die Frage kam aus dem Publikum, wo das nun hinführe. Die Krise stiehlt ja nicht allen den Schlaf, aber über das grosse Engagement der Staaten werden alle betroffen sein. Der ehemalige Vizepräsident der Schweizer Nationalbank, Niklaus Blattner, meinte, der Dieb stehe schon im Schlafzimmer, aber er wisse noch nicht, was er uns wegnehmen soll: Entweder mehr Steuern, was nicht so schlimm sein, oder unsere Vermögen über eine Inflation.
Und noch zwei Anmerkungen zum Anlass selber: Vielleicht könnten solche Anlässe rascher auf die Beine gestellt werden und so aktuelle Bezüge noch mehr aufnehmen. Und, Hand aufs Herz, liegen bei fast zwei Stunden Dauer wirklich nicht mehr als 17 Minuten (handgestoppt) drin für Fragen und Kommentare von 500 Leuten?
Dass ganz am Schluss der Vertreter von attac das Mikrofon ergriff, den «Herren da vorne auf dem Podium» die Leviten las und darauf hinwies, dass die Krise durch den Kapitalismus als Ganzes verursacht wurde, erinnerte an eigene erste Vorlesungen beim gestern abwesenden Prof. Silvio Borner, deren Schlusswort fast regelmässig unser Kommilitone von der Revolutionären Marxistischen Liga hielt.
Und: Wenn Privatbanken Aktien ausgäben, wären diese nun zu kaufen.
Tja wieder mal was gelernt, danke. Borner abwesend, das passt! In der Weltwoche schwingt er neoliberale Reden aber wenns heiss wird verzieht er sich.
Was in der Wirtschaftswissenschaft im Vorfeld der Krise falsch lief und was sie dagegen tun kann, von Nobelpreisträger Paul Krugmann nicht mehr als „spectacularly useless at its best and positively harmful at worst“ bezeichnet zu werden (zumindest die Makroökonomie der letzten 30 Jahre), wird derzeit im Mutterblatt der ökonomischen Orthodoxie diskutiert: http://www.economist.com/opinion/displayStory.cfm?story_id=14031376