Morgen spreche ich mit dem Philosophen Bernward Gesang von der Universität Düsseldorf. Er hält um 18.15 Uhr am Englischen Seminar, Basel, einen Vortrag zu „Der perfekte Mensch in einer imperfekten Gesellschaft„.
Schon 2007 hat er das lesenswerte Buch mit dem irritierenden Titel „Perfektionierung des Menschen“ geschrieben. Perfektionierung des Menschen? Sind wir nicht schon die Krone der Schöpfung? Haben wir nicht gelernt, uns so zu mögen, wie wir nun mal sind? Ich bin gespannt, welche Reaktionen er auf sein Buch hatte.
Gesang bezeichnet seine Position als „humanen Utilitarismus“. Falls Ihr nicht wisst, was das heisst, geht es euch wie mir. Kurz erklärt: Utilitaristen haben das Ziel, das Glück insgesamt zu erhöhen. Und mit „human“ ist gemeint, dass er auch Befindlichkeiten als Realität akzeptiert. Oder anders gesagt: „Wenn Menschen den Status quo deutlich präferieren, dann ist das ein Argument gegen Verbesserungen“. Insgesamt ist Gesang aber schon überzeugt: „Ein zentral verordnetes „Genug“ für alle Arten von Enhancement darf es nicht geben“.
Spannend und hilfreich für künftige Debatten ist der differenzierte Raster, den er aufbaut. Folgende Kriterien sind in seiner Beurteilung der Arten von Enhancements wichtig. Enhancements sind dabei immer Eingriffe in den menschlichen Körper:
- reversible versus irreversible Enhancements
- moderate versus radikale Enhancements. Moderate Enhancements sind jene, deren Effekte man auch mit anderen Methoden (Training, Erziehung,…) erreichen kann.
- zentral verordnete versus dezentrale/liberale Enhancements
- kompensatorische Enhancement (für jene, die weit unter dem Durchschnitt sind)
- Enhancements mit Auswirkungen auf noch nicht geborene Kinder
Die Debatte schwankt dabei immer zwischen zwei Polen – hier stellvertretend zwei Zitate aus dem Buch.
Dieter Birnbacher: Wenn der Mensch von Natur aus ein Kulturwesen ist, dann besteht die Natur des Menschen im umfassenden Sinn u.a. darin, seine biologische Natur fortwährend zu verändern. Die Chance, diese Natur direkter und gezielter mit technologischen Mitteln zu verändern, als es ihm in der bisherigen Geschichte der Menschheit möglich war, bedeutet keinen radikalen Bruch in der menschlichen Natur, sondern verstärkt lediglich eine in dieser angelegte Tendenz.
Der Ethikrat des US-Präsidenten: Ein gedeihliches menschliches Leben ist kein Leben mit einem alterslosen Körper und einer Seele ohne Sorgen (…) Es ist ein Leben, das nach einer Erfüllung strebt, auf die unsere natürliche menschliche Seele ausgerichtet war und wenn wir seine Wurzel nicht ausreissen, immer ausgerichtet sein wird. Es ist kein Leben der besseren Gene oder der verbessernden Chemikalien, sondern der Liebe und Freundschaft, des Gesangs und des Tanzes, der Rede und der Tat, der Arbeit und des Lernens, der Ehrfurcht und der Anbetung.
Am Mittwoch folgt das Interview mit Bernward Gesang.