Unsere Sinne: Ohrenschmaus und Augenblick
Das Hirn bevorzugt das Sehen. Man „hört“ die Geige im Konzertsaal von dort, wo man sie sieht, aber die Wellen treffen das Ohr evt. eigentlich von der seitlichen Wand. Machen Sie den Test: Schliessen Sie das nächste Mal im Konzert die Augen!
In der Kulturgeschichte stand zeitweise eher das Hören im Vordergrund, mit Aufkommen der Mal- und Schreibkunst eher das Sehen, aber heute stehen wir gleichzeitig unter der Tyrannei von zuviel stillen und bewegten Bildern und von Lärm in vielen Variationen. Richtiges Sehen und Hören sind anspruchsvolle Kulturleistungen. Vermutlich fühlen wir uns deshalb in einem ruhigen Park so wohl, weil sich wenigstens zwei unserer Sinne kurzfristig etwas erholen können.
Mit etlichem Aufwand an Technologie kann ein eingeschränktes Hörvermögen verbessert werden. Aber die Technik hat besonders Mühe mit der Geräuschunterdrückung, eine Leistung, die ein gesundes Gehör samt der nachgeschalteten Verarbeitung in den Hörzentren besonders gut kann. Daraus sieht man, dass das Gehör ein High-Tech-Organ ist, und sicher ein paar Tausend Franken wert! Es lohnt sich also, es zu schützen – das kostet weniger!
Fig. 1: Das menschliche Ohr. Tiefe „langwellige“ Töne dringen bis in das Innerste vor, während die höchsten „kurzwelligen“ Töne ganz vorne ansprechen. Es findet also ein Tonhöhenzuordnung bzw. eine Frequenzanalyse statt. Und dies alles im Kopf auf 35 mm Länge, ein Präzisionsinstrument !
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Wie gut hören Sie? Auf Tel. 0900400555 gibt es für 0.5 Fr schon ein Hörscheck zur eigenen Beruhigung.
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Berufsbild Akustiker: http://www.akustika.ch/aus_weiterbildung/berufsbild/seite2
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Lärm und Massnahmen: http://www.suva.ch/home/suvapro/branchenfachthemen/laerm.htm
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Expositions und Auslösewerte:
https://wwwsapp1.suva.ch/sap/public/bc/its/mimes/zwaswo/99/pdf/86048_d.pdf
Wen trifft es?
Eine gute Verständigung ist erst gegeben, wenn sich die Sprache mit 10dB über dem Umgebungslärm abhebt. Jede dritte erwerbstätige Person hat Rückenweh, jede zweite Augenbeschwerden. was ist mit dem Hören? Stimmt es, dass wer nicht richtig hört, Körper und Seele schadet? In der Schweiz steht innerhalb der Berufskrankheiten die Lärmschwerhörigkeit bezüglich Anzahl anerkannter Fälle mit 16% Anteil immer noch an 3. Stelle. [Berufslärmschwerhörigkeit, L. Matefi, Schweiz. Med. Forum. Nr. 11, 13.3.2002, S. 2]
Wieviele von den fast 2.5 Mio Männern und 2 Mio Frauen, die im bezahlten Arbeitsprozess stehen, werden in der nächsten Zeit auch davon betroffen? An ihrem Arbeitsplatz sind an die 200’000 Personen (knapp 3%) in der Schweiz einer Lärmbelastung ausgesetzt, die ihr Gehör gefährdet und die vom SUVA Audiomobil besucht werden. In Europa rechnet man mit 7 % die infolge ihrer Arbeitstätigkeit an Gehörschäden leiden. Im Nachbarland Oestereich werden 33% von 3 Mio Arbeitnehmer durch Lärm am Arbeitsplatz gestört.
Bei einem ersten Hörproblem darf man zuerst an einen herauspülbaren Propfen denken. Jedenfalls soll man zum Hausarzt gehen, sobald das Leiden täglich wahrgenommen wird oder wenn man Vermeidungsstrategien zu benützen anfängt (wie etwa dass man sich nicht mehr ins Restaurant getraut, weil man der Unterhaltung nicht mehr folgen kann).
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Ab 70 dB(a) reagiert der Körper mit dem para- und sympathischen Nervensystem (Herz aktiviert, Puls erhöht, arterieller Blutdruck erhöht, periphere Blutzirkulation herabgesetzt und Verdauungsorgane sind gestört), die muskuläre Anspannung steigt, Adrenalin und Cortisonspiegel erhöht: all diese Belastungen summieren sich zu einem Stressfaktor, der ein reales Risiko für cardiovaskuläre Erkrankungen darstellt. Eine Reduktion von 3dB stellt eine Halbierung des Schallpegels und somit des Risikos dar.
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Nur noch wenige Prozent der Bevölkerung die dem Lärm ausgesetzt ist ignoriert diese Tatsachen. Der Aufwand um sie sich selber schützen zu lassen ist gross. Selbstverständlich muss eine vertiefte Beurteilung der Gehörgefährdung durchgeführt werden, um die entsprechenden Massnahmen zu treffen.
Wichtig ist nämlich, dass sich das Gehirn frühzeitig an eine allfällig notwendige Hörhilfe gewöhnen kann: raten Sie also ihren KollegInnen am Arbeitsplatz, den Besuch nicht hinauszuschieben, oder rufen Sie die Arbeitssicherheitskontrolleure an. Wer erst nach Erreichen des AHV Alters Hörhilfen braucht, muss einen guten Teil der Kosten selber zahlen, die nach Abklärungen des nötigen Hörhilfeumfangs vorher die IV (sonst eben die AHV, http://www.akustika.ch/faq/faq#binaurale_versorgung ) übernimmt. Bei älteren Leuten kann die Anpassung eines Geräts bis zu 20 Sitzungen umfassen, für die Hörmittelbranche ein überblickbarer Kundenkreis mit berechenbaren Gewinnen. 6-8 Konsultationen beim Akustiker werden heute vergütet.
Hören heisst dazugehören. Doch kein Geld der Welt und kein Hörgerät kann ein geschädigtes Gehör völlig wiederherstellen.
G&G: Gehör und Geld [oder Gesundheit]
Eine Untersuchung der eidgen. Finanzkommission untersuchte den Markt der medizinischen Hilfsmittel und macht ein gewisses Sparpotential aus: nun sah sich der Bund gezwungen, um die Sanierung der Invalidenversicherung voranzutreiben, (1.5 Milliarden Franken Defizit pro Jahr), noch mehr auf die Kosten zu schauen. Rolf Camenzind, Sprecher des Bundesamts für Sozialversicherung, BSV, kündigte an, dass der Bund eine Auswahl an Geräten von 4 der 16 heutigen Herstellern mit Mengenrabatt einkaufen wird und somit ab 2009 die Hörmittel-Akustiker nur bezahlt werden, um die Geräte für IV/AHV-berechtigte Kunden anzupassen und deren HalterInnen umfassend zu beraten.
Ein gängiges Hörgerät wird mit 2100.- Fr. entschädigt, die Hörgeräte–Händler haben eine Marge von 400.-Fr darauf und der Händlerrabatt beläuft sich auf 500.-: Die Summe macht 20 Mio. Fr. /Jahr die das BSV einsparen will.
Was weiss man schon oder doch nicht?
Da unser Gehör auf den Transport von chemischen Signalstoffen in Nerven beruht, sind Erkenntnisse aus der Toxikologie zu berücksichtigen. In diesem Wissensfeld kommt man jedenfalls zur Erkenntnis, dass von hormonaktiven Substanzen -selbst im ppb Bereich- schädliche Wirkungen über 4 Generationen hinweg ausgehen und sich die Dosis-Wirkungslinien nicht immer linear verhalten (siehe Kasten zur den hormonaktiven Substanzen, ganz am Ende). Es wird sich evt. erst mit verfeinerten Messkampagnen erweisen, ob selbst wenig Lärm auf die Dauer für den Menschen nicht doch gesundheitsschädlich sein könnte. Für die Umwelt haben jedenfalls akustische Phänomene einen Einfluss [http://www.sga-ssa.ch/pdf/events/Tonolla_Sound_of_Rivers.pdf]:
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Typische Flusshabitate besitzen charakteristische Klanglandschaften, welche ein wichtiges physikalisches Attribut von aquatischen Systemen sind
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Verschiedene Klanglandschaften könnten das Verhalten von Fischen und anderen Organismen beeinflussen
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Kanalisierungen bewirken eine Abnahme der Strukturheterogenität und eine Fliessgeschwindig-keitszunahme. Das bewirkt eine Zunahme der Lautstärke und eine Abnahme der Klangdiversität.
Der Einfluss von Lärm auf das Wohlbefinden beim Menschen ist nicht zu unterschätzen: Ab 35 dB(A) wird der Schlaf unterbrochen, was am Tag zu chronischer Müdigkeit, Unaufmerksamkeit, Irritabilität und Nervosität führen kann. Wie sollen sich die Arbeitenden nachts erholen können, wenn schon morgens um 5 Uhr der Strassenlärm wieder ansteigt, wie eine Studie zeigt? [Umweltmonitoring MFM-U, Jahresbericht 2005 der Luft- und Lärmmessungen, 2007.]http://www.sga-ssa.ch/pdf/events/Andretta_MfM-U_QS_Resultate04_07.pdf
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Gegenüber den Vorjahren haben sich die jahresdurchschnittlichen Werte an den Stationen Reiden, Camignolo (A2) und Rothebrunnen (A13) nicht signifikant verändert
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Lärmarme Beläge sind an den Stationen Tenniken (Drainbelag) und Moleno (Leca) eingesetzt, diese haben jedes Jahr etwas an positiver Wirkung verloren
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Differenz Tag – Nacht beträgt ca. 5-8dB
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die Lärmanteile sind in der Nacht (22-06) wegen des Endes des Nachtfahrverbotes um 05 Uhr gross
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der Lärmpegel steigt ab 05 Uhr markant an (Leq 4-5dB, Lmin(A) 15-18dB)
Schweizer Grenzwert
Wer seine tägliche Dosis am Arbeitsplatz von über 85 dB täglich während 8 Stunden bzw. 2000 Stunden pro Jahr (Jahreslärmexpositionspegel) erhalten hat (siehe www.suva.ch/akustik), und in der Freizeit Musik oder Lärm dazu konsumiert, wird später den Schaden vermutlich spüren, auch wenn durch die Schall- und Laserverordnung obere Grenzen seit 1996 gesetzt worden sind.. Aber auch schon unter dieser Grenze kann man vorbeugen. Noch anerkennt die SUVA die Fälle, die sich vor 15 und 30 Jahren hätten schützen müssen Vor 30 Jahren schützten sich nur 17 %,heute über 90%. (Checkliste anwenden: https://wwwsapp1.suva.ch/sap/public/bc/its/mimes/zwaswo/99/pdf/67009_D.PDF)
Die generelle Botschaft der SUVA lautet: differenzieren und Dämmung nicht übertreiben. Keine Überprotektion. Sonst wird der Gehörschutz (die Auswahl umfasst Gehörschutzkaspeln, Pfropfen , Bügel und Otoplasten) zuwenig getragen. Mut zu weniger, aber zu 100% zuverlässiger Anwendung. Dank Audiomobil schützen sich immer mehr Leute (im Jahre 2004 hatten noch 9% der im Audiomobil Untersuchten eine deutliche Schädigung des Gehörs) . Bei der Beratung sind die Sicherheits-Widersprüche aufzudecken. Im Betrieb ist es wichtig, den Mitarbeitenden die jeweils neuere Generation von Schutzmaterial anzubieten. In der Schweiz wird darum erst ab 85 dB Schutz empfohlen, da hier das Risiko beginnt. Der Sicherheitsbeauftragte, der ab 80 dB einen Hörschutz empfiehlt, schützt sich eher selber anstatt seine Leute.
Hoffnung auf neue Technologien?
Schätzungsweise alle 2 Jahren kommt wieder eine neue Generation von Hörgeräten auf dem Markt. Neue Technologien machen eine noch bessere Anpassung an das Hörproblem möglich, erschweren den Beratern aber die Auswahl, da nun weniger Zeit für Erfahrungen zur Verfügung steht. Die technologische Grenze ist bestimmt noch nicht erreicht. Vor- und Nachteile sind abzuwägen. Bekannt und teuer sind drahtlose Kommunikations-Systeme, damit sich die Mitarbeitenden bei grossen Maschinen verständigen können.
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An der Tagung vom 8.5.08 referierte Herbert Bächler, Chief Technical Officer der Phonak AG, über die Kooperationen mit der ETH im Bereich der Micronano-Forschung. Sie arbeiten an implantierbaren Aktuatoren, die Energie via induktiver Transmission (wie beim Cochlea Implant, das ab einem mittleren Hörverlust von mehr als 80 dB jeweils erwogen wird) bekommen würden. Hellhörig sollte man da aus Sicht des Arbeitnehmerschutzes werden, da neue Probleme entstehen könnten, wenn Nanopartikel benützt würden, die sich lösen könnten, oder den Bedarf zur vermehrten Warnung vor elektromagnetischen Feldern. Bei den über 40’000 Patienten mit Cochlea Implantaten gibt es aber bisher keinerlei Anlass oder Studien, welche diese Übertragung als bedenklich oder gesundheitsschädigend einstufen.
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Noch völlig im Reich der Utopie beim Menschen sind auch der Ersatz von Häärchen im Innenohr. Allerdings weiss man von Vögeln, dass Gehörhaare nachwachsen können. Im Embryonalstadium des Menschen gehört dieses Wachsen ja zur normalen Entwicklung. Danach kommen wie bei den Rückenmarkszellen vermutlich Blockierungsfaktoren zum Zug. In der Anwendung am Menschen setzt man Hoffnung auf Nanocarriers zum Transportieren von Substanzen ins Ohr/Nerv. Bevor man allerdings auf die Restaurierung des natürlichen Gehörs zählen kann, setzt man besser auf bewährte Technologien wie Cochlea Implants und Hörgeräte. Auch bei diesen Systemen lassen sich weiterhin durch intensive Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachhochschulen Fortschritte erzielen, speziell in den Bereichen Signalverarbeitung, Werkstoffe und Transducer (implantierbare Elektroden). Nanotechnologie kann insbesondere bei den Werkstoffen, am technisch-biologischen Interface (biokompatible Materiealien/ Beschichtungen) wertvolle Beiträge leisten.
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Die in der Industrie gängigen, individuell angepassten Otoplasten, haben zum Teil zuviel versprochen punkto Dichte und Verständigung.
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3. Die Idee mit Antischall zu arbeiten, war auch im Gespräch – leider erfüllen sich dort die Erwartungen nicht, da die Quelle genau definiert sein muss. (Beispiel: Oeffnung eines Autoauspuffs -aber dann fällt der warnende Brummton im Strassenverkehr aus). Vor dem Ohr wäre ein Antischallsystem am besten, allerdings nur im Bereich zwischen 80 und 500 Hz. Den Rest der Frequenzen nach unten nimmt der Körper als unangenehmen Druck dennoch wahr. Und die Grund- und Obertöne fehlen dann – inzwischen weiss man, dass dies nicht nur eine individuelle Erfahrung ist, das Hirn ersetzt fehlende Töne, als ob es ein Teil der kollektiven Erfahrung sei. Körperliche Reaktionen sind z.B. bei einem Ton-Längswellenversuch aufgetreten: In Limousinen wurden vielen schlecht.
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Erfolg könnten neue Konzepte haben. Die sogenannte weiche Schlabberverkapselung um Geräte wurde zufällig entdeckt: mit elastischem Material, das in sich Lärm-Wellen macht! Anton Wirth, der technische Leiter der Etis AG, zeigte schon 2005 die eindrücklichen Erfolge seiner flexiblen Freiformen-Isoliersysteme, mit hoher Schallabsorption im Nieder- Mittel- und Hochtonbereich, die zu einer Reduktion um 12-26 dB(A) führt, d.h. 80-95% des Schallpegels, zudem: Absorption des störenden 100Hz Maschinenbrummens und sonst unerreichte Reduktion im Bereich tiefer Frequenzen 16 – 500 Hz. Obschon die Wirkung bei vielen Objekten nachweisbar ist, ist die Theorie dahinter bisher nur ansatzweise geklärt – eine Forschungsarbeit hierzu hätte sicher gute Aussichten auf ein Sponsoring durch die Schweizerische Gesellschaft für Akustik, SGA. Weitere Vorteile sind: flexible Formen, Anpassung an komplexe Formen, Nutzung umweltfreundlicher Materialien sowie das benachbarte Arbeiten ohne Gehörschutz. [http://www.etis.ch/deutsch/akustikisolierung_wirkungsweise.htm ]
http://www.etis.ch/deutsch/akustikisolierung_dokumentationen.htm
http://www.sga-ssa.ch/pdf/events/SGA_Hebst_05_Etis(1MB).pdf
Mit dem heute verfügbaren Wissen, den Hilfsmitteln zur Selbstbeurteilung der Gehörbelastung bei der Arbeit (z.B. Lärmtabellen der Suva) und in der Freizeit (z.B. www.suva.ch/mp3) müssen vernünftige Leute keinesfalls mit Hörschäden rechnen, sondern werden diese zu vermeiden wissen. Dies zeigen auch die Resultate der Gehöruntersuchungen auf den Audiomobilen.
Fazit
Meistens tauchen die Zeichen früh genug auf, aber die meisten Menschen warten zu lange, bis zu 15 Jahre, bevor sie reagieren, weil die Veränderung so schleichend daherkommt. Man gerät eher in eine Schonhaltung, sodass auch das Gegenüber im Arbeitsalltag nicht stutzig werden kann.
Bereits 5-10 Jahre vor Erreichen des AHV Alters ist dann ein Handicap da, und reduziert die Arbeitsleistung. Die immer älter werdende Gesellschaft (die zum Teil aus finanziellen Gründen über das jetzige AHV Alter weiter arbeiten wird), wird die erhöhte natürliche Hörreduktion bereits verkraften müssen.
Das Freizeitverhalten (Musik der 60erJahren, Babyboomers die jetzt ins Pensionsalter eintreten) spielt als Risikofaktor ebenfalls eine bekannte Rolle. Suva-Messungen in 2006 ergaben, dass ein MP3 Gerät mit Originalkopfhörern bei maximaler Lautstärke Musik wiedergeben kann, die ebenso schädlich ist wie der Lärm eines Presslufthammets und hat deswegen maximale Hördauern empfohlen je nach Lautstärkeregelung.
Angesichts der Unsicherheiten in der Entwicklung und der Risikoabschätzung ist weiterhin Schutz und Prophylaxe mittels des grossen heutigen Angebots an Hörschutzmitteln weiterhin sehr wichtig. Denn zuhören können macht unser Leben wertvoll.
[ Vorabdruck, wird auf www.iza.ch veröffentlicht ]Kasten
Zur Wirkung von Chemikalien
(aus dem soeben abgeschlossenen NFP 50 – Nationales Forschungsprogramm über Hormonaktive Stoffe: Bedeutung für Menschen, Tiere und Oekosysteme).
Die bisherige Extrapolationen der Resultate von hochdosierten Experimenten für sehr niedrige Konzentrationen im Nanogrammbereich sind nicht immer richtig. Denn „hormonaktive Substanzen docken ja schon bei kleinsten Mengen an die Hormonrezeptoren in den Körperzellen an und imitieren dort die Wirkung eines Hormons oder blockieren den Rezeptor. Andere Substanzen stören den Transport oder den Auf- und Abbau von Hormonen im Körper“. Schwierig und zeitraubend sind Untersuchungen zur Toxizität, weil hormonaktive Stoffe nur sehr begrenzt vergleichbar sind mit anderen Chemikalien, die schädigend auf Mensch und Tier einwirken.
Die Toxikologie ging davon aus, dass die Dosis den toxischen Effekt ausmacht
[http://www.fjc.gov/public/pdf.nsf/lookup/sciman07.pdf/$file/sciman07.pdf: central tenets of toxicology]
Speziell für die hormonaktiven Substanzen sind inzwischen aber 4 neue Erkenntnisse hinzugetreten, die für die Gesundheitsbehörden relevant sind:
1. Studien zeigen, dass hormonaktive Stoffe schon in Mengen wirken können, die um Grössenordnungen unterhalb der Schwelle konventioneller Toxizität liegen („Tarnkappenchemikalie“)
2. Menschen und Tiere sind nicht in allen Altersstufen gleich anfällig auf hormonaktive Stoffe. Besonders gefährdet sind ungeborene und neugeborene Kinder, denn die hormonaktiven Stoffe beeinflussen die Entwicklung. Spätern im Leben reagiert der Organismus weniger sensitiv auf diese Substanzen.
3. Ganz unterschiedliche Stoffe können auf den gleichen Rezeptor im Körper einwirken – die Wirkung kann dadurch sogar grösser werden, als dies aufgrund der Summe der Stoffe zu erwarten wäre.
4. Durch hormonaktive Stoffe verursachte Veränderungen im Körper können sogar an die Nachkommen vererbt werden, wie neue Studien zeigen. Diese Feststellung begründet eine ganz neue Sichtweise in der toxikologischen Forschung.
[siehe hierzu: http://www.ourstolenfuture.org/New/newstuff.htm#2007nmdrc substantial body of scientific evidence published in the peer-reviewed literature challenges the central tenet of regulatory toxicology, which assumes ‚the dose makes the poison.) ]
Als Wesen mit chemischen & physikalischen Eigenschaften beeinflussen uns die Konzentrationen und Interaktionen von chem. Substanzen, analog muss man sich bei physikalischen Werten auch auf Ueberraschungen gefasst machen (Stichwort Nanotechnologie; Toxikologiekongress der EMPA 8-10.9.08 an der ETHZ) Da öffnet sich noch ein weites Feld zum Erforschen.
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Hab grad mein Gehör für 50 Rappen getestet und den Sonntag verschönert: Ich bin im grünen Bereich, vorerst mal zumindest links. Rechts sehen oder hören wir später. Danke für den Hinweis.
Interessanter Bericht! Sehr informativ! Mein Kompliment!