Ben Goldacre, Arzt und streitbarer Kolumnist des britischen Guardian, hat ein Buch geschrieben, das nicht nur amüsant sondern auch lehrreich ist: «Bad Science» ist ein Muss für jeden Gesundheitsinteressierten. Aber Achtung: Das Buch hat Risiken – es kann das Gesundheitsempfinden stören.
In seinem Buch geht Ben Goldacre mit spitzer Feder gegen allerhand Quacksalbereien und medizinische Halbwahrheiten vor. Seine Messlatten sind die Evidence-Based Medicine und saubere Statistik. Diese wendet er denn auch rigoros an: Ob Detox-Fussbäder, Homeopathie, Vitaminpräparate oder Omega-3-Fettsäuren – alle bekommen ihr Fett weg. Auch mit Pharmafirmen und ihren Tricks, Medikamentenstudien gut ausschauen zu lassen, geht er wenig zimperlich um.
Die Enthüllungen Goldacres über die Machenschaften selbsternannter Vitaminpäpste und anderer Nutritionisten lesen sich streckenweise wie ein Krimi. Doktortitel erweisen sich als übers Internet gekauft. Vermeintliche Studien lösen sich in Luft auf. Und nicht selten sind die vermeintlich unabhängigen Päpste über verschlungene Wege an Firmen beteiligt, die eben jene Produkte verkaufen, die sie propagieren.
Den Erfolg von Quacksalbereien sieht Goldacre in zwei Punkten begründet:
1. Die Experten positionieren sich als Mavericks im Kampf gegen das schulmedizinische Establishment. Mit diesem Trick scheinen sie als glaubwürdiger David und können sich gleichzeitig über die Erkenntnisse des Goliath getrost hinwegsetzen.
2. Die Gesundheitsgurus bedienen sich der Medien als willfährige Helfer. Erst die Medien machen die selbsternannten Experten zu anerkannten Experten und verleihen ihnen damit die Glaubwürdigkeit. Dabei zielt Goldacre weniger auf die Wissenschafts- oder Medizinjournalisten. Diese würden in der Redaktion marginalisiert, so bald es spannend wird. Die «fetten» Stories schreiben dann andere. Für meinen Geschmack geht Goldacre aber zu weit, wenn er die Chefredaktionen als Hort von Geistes- und Sozialwissenschaftern beschreibt, die gegenüber den Naturwissenschaften ihrem Minderwertigkeitskomplex freien Lauf lassen müssen.
A propos 1: Mehr in Ben Goldacres Blog: www.badscience.net
A propos 2: Ben Goldacre hält am 22. Januar 2009 am ISPM Bern um 16 Uhr ein Seminar. Thema: Teaching epidemiology through errors in the media
Der Goldacre (was für ein Namen…) ist mir auch schon positiv aufgefallen, den Berner Termin schreib ich mir mal in die Agenda. Eigentlich erstaunlich, dass ausgerechnet die Briten, die einerseits dem schlimmste Boulevard huldigen andrerseits die scharfsinnigsten Kritiker beschäftigen. So einer fehlt hierzulande noch.
Ja, dieser Platz ist in der Schweiz noch frei. Erstaunlich auch, dass jene Zeitungen, die Goldacre am heftigsten kritisiert, überschäumende Kritiken schreiben. Das nenn ich dann auch wiederum souverän.
A propos 2: Ben Goldacre kam nicht am 22. Januar 2009 ins ISPM Bern um 16 Uhr: Das Seminar zum Thema: Teaching epidemiology through errors in the media kommt evt. später im Jahr… Und ich war für 46.- 2.Klasse hin und retour nach Bern gefahren.
Dafür sprach Prof. Abel, IPSM, auf Englisch, zum Thema: Geld allein ist ungenügend, um die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Viel wichtiger kann gerade in den ökonomisch weniger gesegneten Schichten das soziale und das und kulturelle Kapital sein: „Why money is not enough: cultural capital and inequalities in health.“ Schlussfolie auf Wunsch.